Böses Herz: Thriller (German Edition)
Nummern gehören. Aber im Moment wissen wir nichts über Lee Coburn, außer dass er irgendwo da draußen ist und dass uns die Scheiße um die Ohren fliegen wird, wenn wir ihn nicht bald finden.« Fred senkte die Stimme. »Und mir ist es egal, ob wir ihn in Handschellen oder im Leichensack heimbringen. Weißt du, was für uns am praktischsten wäre? Wenn wir ihn tot aus irgendeinem Bayou fischen würden.«
»In der Stadt würde sich jedenfalls niemand beschweren. Die Leute hielten große Stücke auf Marset. Er war praktisch der Prinz von Tambour.«
Sam Marset war der Besitzer der Royale Trucking Company gewesen, dazu Präsident des Rotarierclubs, Kirchenvorstand der katholischen Gemeinde, ehemaliger Pfadfinder und Freimaurer. Er hatte im Vorstand mehrerer Vereine gesessen und mehr als einmal die Mardi-Gras-Parade im Ort angeführt. Er war ein Grundpfeiler der Gemeinde gewesen, und die Leute hatten ihn bewundert und gemocht.
Jetzt war er nur noch ein Leichnam mit einem Einschussloch im Kopf und einer zweiten Kugel in der Brust, als hätte die erste nicht ausgereicht, um ihn umzubringen. Die sechs weiteren Mordopfer würden wahrscheinlich nicht so schmerzlich vermisst, aber nach dem Mord an Marset hatte man noch an diesem Morgen eine Live-Pressekonferenz geben müssen. Sie war von zahllosen Lokalzeitungen aus dem Küstengebiet Louisianas verfolgt und von allen größeren Fernsehsendern rund um New Orleans aufgezeichnet worden.
Flankiert von Vertretern der Stadtverwaltung, darunter sein Zwillingsbruder, hatte Fred der Presse Rede und Antwort gestanden. Die Polizei von New Orleans hatte einen Porträtzeichner nach Tambour geschickt, der anhand der Beschreibungen von Coburns Nachbarn ein Phantombild angefertigt hatte: Es zeigte einen männlichen Weißen, etwa ein Meter neunzig groß, mittelschwer, athletisch gebaut, mit schwarzem Haar und blauen Augen, der seinen Arbeitsunterlagen zufolge vierunddreißig Jahre alt war.
Zum Abschluss der Pressekonferenz hatte Fred die Zeichnung in die Kameras gehalten und die örtliche Bevölkerung gewarnt, dass Coburn sich vermutlich noch in der Gegend aufhalte und höchstwahrscheinlich bewaffnet und gefährlich sei.
»Du hast ganz schön dick aufgetragen«, kommentierte Doral jetzt Freds abschließende Bemerkung. »Ganz egal, wie aalglatt Lee Coburn ist, inzwischen will ihm jeder ans Leder. Ich glaube nicht, dass er auch nur den Hauch einer Chance hat, von hier wegzukommen.«
Fred sah seinen Bruder an und zog eine Braue hoch. »Meinst du das ernst, oder ist das nur Wunschdenken?«
Ehe Doral darauf antworten konnte, läutete Freds Handy. Er warf einen Blick aufs Display und grinste seinen Bruder an. »Tom VanAllen. Das FBI eilt uns zu Hilfe.«
3
C oburn trat einen Schritt zurück, aber trotzdem konnte er die Angst der jungen Frau spüren. Gut. Es war besser, wenn sie sich fürchtete. Solange sie sich fürchtete, würde sie kooperieren. »Die suchen nach Ihnen«, stellte sie fest.
»Hinter jedem Baum.«
»Die Polizei, die Leute des Sheriffs, Freiwillige. Hunde.«
»Heute Morgen konnte ich sie bellen hören.«
»Sie werden Sie kriegen.«
»Noch haben sie mich nicht.«
»Sie sollten fliehen.«
»Das würde Ihnen gefallen, nicht wahr, Mrs. Gillette?«
Das erschrockene Aufleuchten in ihren Augen verriet, dass ihr bewusst war, was es bedeutete, dass er ihren Namen kannte. Er hatte sich nicht auf gut Glück in ihr Haus geflüchtet. Er hatte von Anfang an dorthin – zu ihr – gewollt.
»Mommy, das Kätzchen hat sich unter dem Busch versteckt und will nicht mehr rauskommen.«
Obwohl Coburn mit dem Rücken zur Tür stand, hatte er gehört, wie das Mädchen ins Haus gekommen war, wie ihre Sandalensohlen bei jedem Schritt in Richtung Küche auf den Holzboden klatschten. Trotzdem drehte er sich nicht um. Sein Blick lag weiter fest auf der Mutter des Kindes.
Deren Gesicht war kalkweiß. Die Lippen waren praktisch blutleer, und ihr Blick wechselte in panischer Angst zwischen ihm und dem Mädchen hin und her. Trotzdem musste Coburn ihr zugutehalten, dass sie es schaffte, fröhlich und unbeschwert zu klingen. »Das machen alle Kätzchen so, Em. Sie verstecken sich.«
»Warum denn?«
»Es hat Angst vor dir, schließlich kennt es dich nicht.«
»Das ist doch blöd.«
»Ja, das ist es. Richtig blöd.« Sie richtete den Blick wieder auf Coburn und ergänzte vielsagend: »Es sollte doch wissen, dass du ihm nichts tun würdest.«
Okay, er war nicht auf den Kopf gefallen. Er hatte
Weitere Kostenlose Bücher