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Boeses Mädchen

Boeses Mädchen

Titel: Boeses Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amélie Nothomb
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gewürdigt hatte?
     
    Dienstags begannen die Vorlesungen um acht. Christa hatte tiefe Ringe unter den Augen.
    »Siehst müde aus«, stellte ich fest.
    »Bin auch um vier aufgestanden.«
    »Um vier? Zwei Stunden, hast du gesagt, dauert die Fahrt!«
    »Ich wohne aber nicht direkt in Malmédy. Von meinem Dorf bis zum Bahnhof brauche ich eine halbe Stunde. Wenn ich den Zug um fünf erwischen will, muß ich um vier Uhr aufstehen. Und in Brüssel liegt die Uni auch nicht gleich hinterm Bahnhof.«
    »Um vier Uhr aufstehen ist unmenschlich.«
    »Weißt du was Besseres?« fauchte sie. Wandte sich von mir ab und ging.
    Ich haßte mich dafür. Ich mußte ihr helfen.
     
    Abends erzählte ich meinen Eltern von Christa. Ich gab sie als meine Freundin aus, um meinem Vorhaben Geltung zu verschaffen.
    »Du hast eine Freundin?« fragte meine Mutter, sichtlich bemüht, ihre Verwunderung ob dieser Neuigkeit im Zaum zu halten.
    »Ja. Ich wollte fragen, ob sie eventuell montags bei uns übernachten könnte. Sie kommt nämlich aus einem Dorf im Osten und muß jeden Dienstag um vier Uhr aufstehen, damit sie um acht in der Vorlesung ist.«
    »Kein Problem. Wir stellen einfach das Klappbett in dein Zimmer.«
     
    Am nächsten Tag nahm ich all meinen Mut zusammen und sagte es Christa: »Wenn du magst, kannst du montags bei mir übernachten.«
    Freudestrahlend und verblüfft sah sie mich an. Das war der schönste Moment meines Lebens.
    »Ist das wahr?« fragte sie.
    »Meine Eltern sind einverstanden«, fügte ich noch hinzu. Womit ich gleich alles verdarb.
    Christa kicherte. Schon wieder hatte ich etwas Dummes gesagt.
    »Und? Wirst du kommen?« fragte ich.
    Damit war mein Vorteil verspielt: Nicht ich erwies ihr einen Gefallen, sondern sie mir.
    »Ja, ich werde kommen«, erwiderte sie mit huldvollem Blick.
     
    Das minderte meine freudige Erwartung nicht.
    Als Einzelkind war ich ein wenig ungeschickt, was Freundschaften betraf. Ich hatte nie Besuch, schon gar nicht über Nacht. Die Aussicht darauf machte mich so froh, daß ich erschrak.
    Dann kam der Montag. Christa behandelte mich nicht besonders zuvorkommend. Aber ich sah zu meinem größten Entzücken, daß sie einen Rucksack trug – mit ihren Sachen.
    An diesem Tag endeten die Vorlesungen um vier Uhr nachmittags. Ich wartete unten im Hörsaal auf sie. Sie brauchte unglaublich lange, um sich von ihren zahlreichen Bekannten zu verabschieden. Dann schloß sie sich mir ohne Eile an.
    Erst als die anderen uns nicht mehr sehen konnten, ließ sie sich gnädig herab, das Wort an mich zu richten – mit einer gekünstelten Liebenswürdigkeit, wie um zu unterstreichen, daß sie mir eine Gunst gewährte.
     
    Als ich die Tür zu unserer leeren Wohnung aufschloß, klopfte mein Herz so stark, daß mir schlecht wurde. Christa trat ein. Sie schaute sich um und pfiff.
    »Nicht schlecht!« sagte sie.
    Ein unsinniger Stolz erfüllte mich.
    »Wo sind deine Eltern?« wollte sie wissen.
    »Arbeiten«, sagte ich.
    »Was machen sie denn?«
    »Sie unterrichten am Gymnasium. Mein Vater Latein und Griechisch, meine Mutter Biologie.«
    »Verstehe.«
    Ich hätte sie gern gefragt, was sie eigentlich verstand. Aber ich traute mich nicht.
    Die Wohnung war nicht luxuriös, aber hübsch.
    »Zeig mir dein Zimmer!« sagte Christa.
    Aufgeregt führte ich sie in meine Höhle. Nichts Besonderes. Sie wirkte enttäuscht.
    »Das sieht ja nach nichts aus«, befand sie.
    »Ist aber nett hier, wirst schon sehen.« Das klang ein wenig bekümmert.
    Sie warf sich auf mein Bett und überließ mir das Klappbett. Ich hätte es ihr ohnehin abgetreten; aber sie hätte mir nicht zuvorkommen müssen, dachte ich. Und nahm mir gleich darauf meine Kleinlichkeit übel.
    »Hast du immer schon hier geschlafen?«
    »Ja. Ich habe nie woanders gewohnt.«
    »Hast du Geschwister?«
    »Nein. Du?«
    »Zwei Brüder und zwei Schwestern. Ich bin die Jüngste. Zeig mir deine Klamotten.«
    »Was?«
    »Mach deinen Kleiderschrank auf!«
    Verblüfft gehorchte ich ihrem Befehl. Christa sprang auf und begutachtete den Inhalt.
    »Du hast nur ein einziges gutes Teil«, stellte sie nach der Besichtigung fest.
    Sie nahm ein schmales chinesisches Kleid heraus, das ich nur zu besonderen Anlässen trug. Unter meinen erstaunten Blicken warf sie ihr T-Shirt, Jeans und Schuhe von sich.
    »Das ist total eng«, stellte sie fest, nachdem sie sich das Kleid vor den Körper gehalten hatte. »Ich zieh die Unterhose auch aus.«
    Splitternackt stand sie vor mir. Dann streifte sie

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