Boeses mit Boesem
Scheinhinrichtung durchführen oder einen Häftling zwölf Stunden lang nackt in einer eiskalten Zelle lassen wollte, ging das Genehmigungsgesuch weiter nach oben. Auch Kombinationen mussten eigens gestattet werden. Wie sah es zum Beispiel mit einer schmerzhaften Fesselung und Schlafentzug aus? Oder Elektroschocks in Verbindung mit Isolation? Mutter, wie oft darf ich den Gefangenen waterboarden?
All diese Nachfragen gingen früher oder später über Glass’ Schreibtisch. Er hatte hier beinahe jeden Folterakt gesehen und gebilligt. Er übernahm die Verantwortung für seine Männer und das, was sie taten. Ich hatte gehört, dass er anfangs einige der Anfragen bis ganz hinauf nach Washington hatte schicken müssen. Das hatte aufgehört, seit die Belagerung Teherans offiziell vorbei war. Der Präsident vertraute seiner Besonnenheit und seinem Eifer.
Die Schwellungen im Gesicht einiger Häftlinge waren zu auffällig, selbst für einen unerfahrenen Vernehmungsspezialisten. |189| Als ich noch bei der Zweiundachtzigsten diente, war es ein offenes Geheimnis, dass manche Männer in die Gefängniszellen hinuntergingen, um Dampf abzulassen. Hier war es dasselbe, auch wenn man sich schwer vorstellen konnte, dass irgendjemand in der Siebzehn noch Dampf hatte, den er ablassen musste. Die Männer führten sowieso schon ein Leben ununterbrochener Aggression, zwischen den Ruinen nach allem jagend, worauf Glass sie an diesem Tag angesetzt hatte. Ich vermutete, dass es Leute aus den Unterstützungsteams gewesen waren: I T-Fritzen und nicht militärische Verwaltungsangestellte. In deren Augen stand ein begeistertes Leuchten, wann immer wir jemanden hereinbrachten, lebend oder tot. Sie kamen hierher, um zu zeigen, wie hart sie waren, um zu beweisen, dass sie loyale Gehilfen der Kriegerelite waren.
Ich blieb vor einem ausgemergelten Mann Anfang dreißig stehen, der allerdings ein Jahrzehnt älter aussah. Ich hatte ihn vor den Augen der Überreste seiner Familie aus einem eingestürzten Gebäude geschleift. Möglicherweise war das in der Nähe der alten französischen Botschaft gewesen, aber ich war mir da nicht sicher. An den Grund erinnerte ich mich definitiv nicht, weil der uns nie genannt wurde. Es ging immer nur um das Wer, das Wo und das Wie, nie um das Warum.
Er war still gewesen, bis wir ihm die Einweghandschellen angelegt hatten. Zwischen der Fesselung und dem Überstülpen eines Sacks über den Kopf vergingen etwa drei Sekunden, je nachdem, wie viele andere zur selben Zeit festgenommen wurden. Es war ein schlechter Moment, um mit der Beteuerung der eigenen Unschuld zu beginnen. Alles, was er herausgebracht hatte, war, dass er Taxifahrer sei. Wir hielten ihn für einen Terroristen. Stimmen konnte beides oder keines von beidem, und es spielte keine Rolle. Hier konnte jeder alles sein. Wenn es einem nicht gefiel, wer man war, warteten |190| die Trümmer von einer Million anderen Leben nur darauf, dass jemand sie aufhob.
»Sergeant«, sagte der Militärpolizist, der bemerkt hatte, dass ich vor der Zelle des Taxifahrers stehen geblieben war.
»Private, Sie haben hier den Gefangenen Nummer 6319 festgehalten, oder?« Das war der Ägypter gewesen, unser letzter Bewerber um die Rolle des
Goldenen Gefangenen
.
»Jawohl, Sergant.«
»Ich sehe ihn hier nicht. Wohin ist er verschwunden?«
»Ich erfahre nicht, wohin sie verschwinden, Sergeant. In der einen Schicht war er noch hier und in der nächsten dann weg.«
Eine Sekunde lang gestattete ich mir, an mein Leben vor der Armee zu denken. Die Vorstadtstraße, meine Eltern, die bis zu ihrem Tod verheiratet geblieben waren, und wie ich mich betrunken und probiert hatte, verkatert Gibbon zu lesen. Ich versuchte, eine Linie von dort zu diesem Ort hier zu ziehen, an dessen Existenz ich nicht glauben würde, wenn ich nun nicht selbst hier gestanden hätte. Von jener Normalität zum Geruch dieser verzweiflungsgesättigten Wände. Es war eine Geschichte mit Szenen, die ich nicht verstand, obwohl ich jede einzelne von ihnen durchlebt hatte.
»Führen Sie mich weiter, Private.«
Gefangener 6524 befand sich in einer Isolationszelle hinter einer weiteren verschlossenen Tür. Er konnte mich nicht sehen, und das lag nicht nur an dem halbdurchlässigen Spiegel zwischen uns. Er war in den Vierzigern, kahl und unrasiert. Seine einstmals füllige Figur bestand jetzt überwiegend aus Hautfalten. Ich konnte an seinem Körper keine Schnitte, Brandwunden oder sonstigen Verletzungen erkennen.
»Private,
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