Boeses mit Boesem
wann hat der Gefangene zum letzten Mal geschlafen?«
»Ungefähr vor fünfzig Stunden, Sergeant«, sagte der Militärpolizist.
|191| Die Behandlung von 6524 war klüger gewesen, wenn auch nicht besser. Der Akte zufolge war er von hellen, desorientierenden Lampen und einem Potpourri von Achtzigerjahre-Stadionrock wach gehalten worden. Er wurde immer über acht Stunden am Stück befragt, aber die Akte enthielt keine Gesprächsprotokolle. Das war sonderbar, besonders, weil vor mir Stonebridge der Verhörleiter für diesen Häftling gewesen war. Er war nicht direkt für eine sanfte Hand bekannt, aber in diesem Fall hatte er darauf geachtet, keine Spuren zu hinterlassen. Hier ging etwas anderes vor sich.
Einfacher Schlafentzug hätte einen Laien zu der Vermutung verführen können, Janus gehe behutsam mit dem Gefangenen um. Jeder hatte schon einmal eine Nacht durchgemacht und so schrecklich schien das eigentlich nicht zu sein. Vor die Wahl gestellt, würde der Durchschnittsbürger diese Behandlung wahrscheinlich Elektroschocks, Schlägen oder anderen Formen körperlicher Misshandlungen vorziehen, die man im Allgemeinen als Folter betrachtete.
Damals in der Universität hatte ich von einer Foltermethode gelesen, die von der OGPU – Stalins Schlägertypen – angewendet wurde. Sie stellten einen Gefangenen gegen eine Wand und ließen ihn auf den Zehenspitzen stehen. Auf den ersten Blick hatte das für solche brutalen Männer ziemlich gesittet gewirkt, fast wie ein Streich unter Burschenschaftlern, doch dann hatte ich über die Folgen davon gelesen. In den Gelenken staute sich das Blut und führte zu Schwellungen, quälenden Schmerzen und schlimmstenfalls zu bleibenden Schäden. Nach ein paar Tagen brach diese Methode beinahe jeden.
Man stelle sich meine Überraschung vor, als ich herausfand, dass die Siebzehn eine Variante anwandte, die sie von der aufgelösten CIA übernommen hatte. Die Handgelenke der Häftlinge wurden mit kurzen Ketten an die Decke gefesselt. Die Gefangenen mussten stehen oder hingen an ihren |192| Armen. Die CIA hatte eine Kategorie für diese Prozedur: »Selbst zugefügter Schmerz«. Nach der Auflösung der Agency müssen ihre Angestellten in der Werbebranche eine strahlende Zukunft gefunden haben.
»Wenn ich mir die Frage erlauben darf, Sergeant«, sagte der Militärpolizist. »Wann haben denn Sie zum letzten Mal geschlafen?«
»Das ist geheim, Private.«
Schlafentzug dauerte ein wenig länger, führte aber zum selben Ergebnis. Die Person war bereit, alles zu sagen oder zu tun, damit er aufhörte. Genau das hatte die OGPU gewollt: Geständnisse, nicht Informationen.
»Hat ein Arzt den Gefangenen gesehen?«
Ich hatte Anweisung gegeben, den Gefangenen 6524 essen, schlafen und medizinisch versorgen zu lassen. Es war sinnlos, mich über den Militärpolizisten zu ärgern. Jemand, der weiter oben in der Befehlskette stand, hatte über meinen Kopf hinweg entschieden.
»Er war vor sechs Stunden hier.«
»Hat er irgendetwas getan, außer zu bescheinigen, dass der Gefangene noch atmet?«
»Das weiß ich nicht«, meinte der Militärpolizist.
»Wer hat den Befehl gegeben, ihn wach zu halten?«
Stonebridge kam herein. Er trug khakifarbene Hosen, ein weißes Hemd und eine kugelsichere Weste. Das war die inoffizielle Uniform der Janus-Deppen vor Ort und Stonebridge trug sie mit Stolz. Er beachtete mich kaum und steuerte direkt auf meinen Gefangenen zu.
»Keine Besucher«, sagte der Militärpolizist. »Befehl des Colonels persönlich.«
Stonebridge war nicht überrascht. Er war hier, um zu warten.
»Haben Sie das veranlasst?«, fragte ich ihn.
»Die Firma, nicht ich«, antwortete Stonebridge. »Janus |193| sorgt sich um sein geistiges Eigentum in Bezug auf diesen Gefangenen.«
Einen Moment lang war ich verwirrt. Stonebridge genoss es.
»Falls 6524 zufällig etwas Nützliches fallen lässt, während Sie ihm die Hand halten oder was auch immer Sie mit ihm tun, wollen wir sicherstellen, dass unsere Interessen als Anspruchsberechtigte berücksichtigt werden.
»Als Anspruchsberechtigte?«
»Janus hat viel Zeit und Mühe darauf verwandt, diesen Mann zu vernehmen. Wir wollen nicht, dass das alles Ihnen gutgeschrieben wird, nachdem wir ihn aufgelockert haben.«
»Er ist ein Mensch, Stonebridge, kein Glas Mayonnaise. Falls das ein offizieller Janus-Terminus ist, sollte ihre Firma sich einen besseren Euphemismus für Folter ausdenken.«
»Ersparen Sie mir den internationalen Chor der
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