Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman
abgestellt, parkte der Polo, den Elke und Enno auf dem Schulhof vom Schnee befreit hatten. Vor mir prangte das Polizeischild aus Emaille wie eine vergessene Reklame aus früheren Zeiten.
Es regnete nicht, es schneite auch nicht. Nach dem Wetterbericht lagen die Temperaturen etwas über Null. Mir troff der Schweiß von der Stirn, und ein leicht böiger Wind, der in die Straße fiel, erfrischte mich. Der Himmel war bedeckt von grauschwarzen Wolken, die träge nordwestlich zogen.
Ich trat durch die verwitterte Eingangstür. An den Wänden klebten Steckbriefe. Ich ging an ihnen vorbei und näherte mich einem Tresen.
Der junge Polizeibeamte schaute mich neugierig an. Sicher wirkte ich in meinem erregten Zustand auf ihn auffällig, als ich ihn mit gehendem Atem fragte: »Wo ist er?«
Der Beamte trug seine Uniform akkurat, und sein Selbstbewusstsein reizte mich, als ich in sein junges Gesicht sah, das mit Misstrauen gefüllt war. Ich trug meine dicke Felllederjacke, die warm und bequem war, aber sehr unseriös wirkte, wie Erika immer gesagt hatte.
»Na los«, sagte ich, »ich muss zu ihm!«
Der Polizist antwortete gereizt: »Sagen Sie mir endlich, wer Sie sind und wen Sie suchen.«
»Verdammt! Enno, einen Schüler von mir! Er hat mich angerufen!«, schrie ich durch das kleine Dienstzimmer.
Aus dem Gesicht des Beamten wich das Misstrauen und fast kumpelhaft sagte er: »Sie sind Oberstudienrat Beruto?«
Ich nickte und wartete auf die Erlösung meiner Anspannung.
»Wir haben dem Jungen das Telefongespräch gestattet«, informierte mich nun der Polizist hilfsbereit. »Er sitzt tief in der Tinte, Herr Oberstudienrat. Zur Zeit wird er verhört. Kommissar Feenwegen hat den Fall übernommen. Ich führe Sie zu ihm.«
Ich bin in meinem Leben nie über einen hässlicheren Gang marschiert. Der abgestandene Hausgeruch, der Gestank, der aus der Toilette drang, die vom Pilz zerfressenen Seitenwände, die drohende Dunkelheit des Flurs mit abgetretenen, knarrenden Holzbohlen, das alles ließ mich fast in Panik fallen, und es hätte mich nicht gewundert, wenn ich auf Ratten hätte achten müssen.
Wie eine Mausefalle, dachte ich, als ich auf die zerfressenen Türblätter blickte. Auf einem war das kleine Schildchen angeschraubt, das den Raum als »Verhörzimmer« auswies. Am liebsten hätte ich die Tür aus den Angeln gehoben und sie zwischen die modernen Kunstwerke in einem Museum gestellt, und sie hätte bestimmt Anklang gefunden.
Der Polizeimeister griff nach der Klinke und sagte etwas ins Zimmer hinein. Ich verstand nicht, was er sagte, denn ich hatte Enno entdeckt, der bleich hinter einem Schreibtisch saß. Seine Bräune, die mir bei seinem Besuch noch als Zeichen seiner sportlichen Aktivitäten wohltuend aufgefallen war, hatte einem krankhaften Weiß Platz gemacht. Er ließ seine breiten Schultern hängen. Seine Augen saßen tief in den Höhlen und die Nase, spitzer als sonst, beherrschte sein Gesicht. Wäre ich nicht der Besucher einer Polizeidienststelle gewesen und der kraushaarige Kommissar ein Oberarzt, ich hätte meinen Schüler, der eine Einladung zur Deutschen Meisterschaft der Zehnkämpfer vom Leichtathletikverband bekommen hatte, für einen vom Krebs geschlagenen sicheren Todeskandidaten gehalten. Ennos Augen waren farblos und ohne Glanz.
Ich fand keine Zeit, mir das hässliche Zimmer genauer anzuschauen. Ich selbst fühlte mich plötzlich elend. Es war mir zumute, als hätte mich Enno mit dem, was auch immer ihn bedrückte, angesteckt.
Grundlos begann ich den Kommissar zu hassen, der seinen dienstlichen Blick auf mich richtete. Als er aufstand, sah ich, dass er größer war als ich. Sein harter Händedruck ließ auf einen durchtrainierten Körper schließen. Er nahm seinen Blick nicht von Enno, der elendig auf einem Stuhl saß.
»Herr Oberstudienrat, Herr Warfenknecht hat um Ihren Besuch gebeten. Wir haben bei einer unserer üblichen Autokontrollen in seinem Wagen einen ihn schwer belastenden Gegenstand gefunden, über dessen Herkunft er bis jetzt jede Aussage verweigert hat«, erklärte der Beamte mir die Situation.
Ich hatte zugehört, und immer noch gelang es mir nicht, in Enno einen Kriminellen zu sehen. Für ihn hätte ich meine Hand ins Feuer gelegt. Deshalb wunderte ich mich darüber, dass er meinen Blicken auswich.
»Herr Feenwegen, können Sie die Vorwürfe etwas detaillieren?«, fragte ich den Kommissar.
Der Kommissar nickte. »Nur zum Teil. In seinem Wagen befand sich ein technisches Gerät, das
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