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Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman

Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman

Titel: Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Anja und wartete zitternd darauf, dass Enno losballern würde, um uns aus dem Diesseits zu schießen.
    »Bleib stehen!«, rief Enno.
    Ich hoffte auf Feenwegen. Aber der Türrahmen blieb leer.
    Zu meiner Überraschung ging Enno einige Schritte zurück. Er setzte sich die Pistole an die Schläfe.
    »Herr Beruto, lassen Sie das!«, schrie er, als er meinen Versuch durchschaute, ihn mit einem Sprung zu erreichen. Er stand an der Wand, der Lauf der Waffe berührte seine Schläfe. Mit irrem Lächeln sagte er: »Elke, das muss sein! Irgendwer hat gequatscht!«
    Sie näherte sich mir. Ich streckte ihr meine Hand entgegen und zog sie hinter mich, um sie zu schützen, als die Pistole losging.
    Ich sah den Blitz und das Blut, beides gleichzeitig, und ich fing Elke auf, die wie eine Puppe in meine Arme fiel.
    Wie bei unserem Autounfall, als sich die Windschutzscheibe in eine Rundkanzel verwandelt hatte, so erlebte ich jetzt den sinnlosen, unerklärlichen Selbstmord meines Schülers.
    Die Pistole drehte sich im Fall. Ennos Körper schlug nicht einfach auf dem Boden auf. Nein, ich sah, wie er sich krümmte, beobachtete, wie die Arme nach hinten glitten und sich seine starken Hüften in einer korkenzieherartigen Drehung wanden und er mit dem für Sekunden entstellten Gesicht auf den Boden prallte. Über die von Putzmitteln gebleichten Dielen floss dunkelrotes Blut, das sich aus einer kaum wahrnehmbaren Öffnung ergoss, und die Pistole tanzte über die Holzbohlen. All das sah ich, während ich Elkes Körper hielt.
    Ich wusste nicht, was in Elkes Kopf vorging, aber ihr Unterbewusstsein hatte sie zur Selbsterhaltung in die Bewusstlosigkeit getrieben, und ich konzentrierte meine Gedanken wieder auf Enno, dessen lebloser Leib auf dem Boden auszubluten schien.
    Ich richtete meinen Blick gegen die vergilbte Decke und sprach wie im Gebet: »Enno, du siehst uns und unser Leid! Wenn ich noch helfen kann, deine sinnlose Tat vor uns Hinterbliebenen zu rechtfertigen, dann sprich zu mir!«
    Mein Zeitverhältnis war gestört. Ich horchte in mich und weiß nicht, ob ich Stunden oder Sekunden mit der ohnmächtigen Freundin des Selbstmörders im Arm, deren Gewicht ich nicht spürte, dagestanden hatte. Ich sah, wie der Kommissar ins Zimmer stürzte. Hinter ihm drängten sich Beamte der Schutzpolizei und verbreiteten eine maßlose Hektik.
    »Ist sie verletzt? Sind Sie wohlauf?«
    Ich vernahm die Fragen und winkte nur ab, denn mein Hirn stand unter einer nie gekannten Konzentrationsanspannung, sodass es körperliche Signale wie Händekribbeln, Knieschmerzen und dergleichen nicht registrierte. Mehrmals wiederholte ich: »Alles in Ordnung!«
    Elke lag immer noch wie eine Feder in meinen Armen. Erst jetzt schaute ich prüfend in ihr Gesicht. Die langen schwarzen Augenwimpern stachen ab von ihrer Blässe. Das volle dunkle Haar hing strähnig nach unten und berührte fast den Boden. Schneewittchen, dachte ich und erinnerte mich an meine Großmutter, die mir aus dem dicken Märchenband oft vorgelesen hatte, wenn ich als Kind besonders lieb war.
    Elkes Ähnlichkeit mit meiner verunglückten Erika war so verblüffend, dass ich mich zurückhalten musste von dem Verlangen, sie mit meinen Lippen aus dem Schlaf zu küssen.
    Das »Tatüü, Tatüü« des Krankenwagens drang in die Stube. Um mich herum standen Polizisten und starrten mich an. Junge Männer in weißen Kitteln hoben Elke aus meinen verkrampften Armen. Erst jetzt verspürte ich das Ziehen und Stechen der Muskeln und das Zittern meiner Nerven.
    Enno lag noch immer in seiner Blutlache. Die Blitze des Fotografen schmerzten meinen Augen.
    Ich erhob mich, verließ das Zimmer, fand die ekelhaft stinkende Toilette noch rechtzeitig genug, um mein Erbrochenes in das Sitzbecken stürzen zu lassen. Das tat gut. Mein Kopf wurde klarer.
    Ich setzte mich für Minuten auf die Toilettenbrille und massierte mir die Schläfen.
    Der Widerhall hastiger Schritte, fast zum Getrampel sich verstärkend, drang zu mir in die Toilette.
    Ich stand auf, öffnete das kleine Fenster und sah nur Dunkelheit. Den Schock hatte ich überwunden. Mein Verstand arbeitete korrekt und begann bereits, sich in das Leben meines Schülers einzufühlen. Er lebte bei seinen Großeltern, von denen ich nichts wusste. Seine Freundin, die dunkelhaarige Schönheit, die wie eine verjüngte Schwester meiner verunglückten Frau aussah, hatte mutig versucht, den Selbstmordversuch Ennos zu verhindern.
    Enno war ausgeflippt! Aber warum? Er hatte mich blind

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