Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman
Kurvenverläufen meiner sie fordernden gebrochenen rationalen Funktionen nachgingen, verbissen auf die Tasten ihrer Rechner hauten und ich zwischendurch meine Gedanken jenseits der Trennungslinie ansiedeln konnte, die mein Leben erschüttert hatte.
Meine Kollegen ließen mich in Ruhe. Der Tisch im Lehrerzimmer, an dem ich all die Jahre gesessen hatte, blieb mein Tisch. Nur das übliche »Moin« duldete ich und suchte die Isolation. Alle wussten Bescheid. Keiner lud mich zur Party ein. Selbst der Stammtisch hielt sich zurück. Wenn ich mir abends die Bücher zurechtlegte, den Unterrichtsstoff sicher vor mir sah, betrat ich hin und wieder den Balkon und meine Gedanken übersprangen die siebenundzwanzig Kilometer Luftlinie zum Bungalow am Kanal, in dem jetzt eine glückliche Familie lebte. Nur das Kinderzimmer regte mich zu Träumen an, wenn ich an Anja dachte, wie Erika sie dort ins Bettchen gelegt und vor der Tür die Schuhe ausgezogen hatte, um sich anzuschleichen und sich davon zu überzeugen, dass sie sicher in die Nacht ging.
Gregor besuchte mich am Abend. In seinem aristokratischen Gesicht schienen die Falten tiefer zu sein als sonst. »Ich habe die Abrechnung mitgebracht«, sagt er, als ich ihm den gekühlten Schnaps eingoss.
»Davon will ich nichts wissen«, sagte ich und holte mir auch ein Glas.
Gregor klappte die Akte zu. »Prost«, sagte er und schluckte den kalten Schnaps. »Das tut gut!« Er lehnte sich zurück in den Sessel und schaute sich um. »Das Bild wirkt hier fantastisch«, meinte er und blickte liebevoll auf das im Sturm schräg vor dem Wind liegende Lotsenschiff, das mit prallen Segeln Windjammern entgegenfuhr.
»Ich weiß, Gregor«, sagte ich. Mir war bekannt, dass er mir jede Kaufpreisforderung erfüllen würde, um das Bild zu erwerben. Mehr noch als bei ihm lag das Interesse an dem historischen Bild bei seiner Frau, da der Vater der siebzigjährigen Dame das historische Schiff vor mehr als siebzig Jahren gelenkt hatte. »Wie geht es deiner Frau?«, fragte ich deshalb.
Gregor blickte mich traurig an. »Ich habe sie ins Krankenhaus gebracht. Der Chefarzt ließ mir keine Hoffnung.«
»Krebs?«, fragte ich den alten Freund. Gregor nickte.
Als Gregor mich verlassen hatte, bereitete ich meinen Unterricht vor und setzte mich danach in meinen Lieblingssessel, schaltete die Stehlampe aus Lyon ein, zündete zusätzlich eine Kerze an, rauchte eine Pfeife und trank dazu ein Bier. Lange saß ich, die Ruhe genießend, ohne meinen kommenden und gehenden Gedanken eine Richtung zu geben, als die Flamme der Kerze leicht aufflackerte und ich schlagartig wie im Traum die schrecklichen Bilder vor mir sah ...
Nur ein Katzensprung sollte es werden, als wir im frühen Dunkel des Dezembers das faltbare Kinderbett in den Kofferraum legten, die gepackten Reisetaschen für ein Wochenende dazu schoben. Ich schnallte die kleine Anja, die quengelnd und missmutig den Besuch bei Oma und Opa abzulehnen schien, im Kindersitz auf der Rückbank an.
»Kann es losgehen?«, fragte ich mit prüfenden Blicken und kontrollierte, ob nicht versehentlich etwas vergessen worden war.
Erika stieg ein. Sie hatte unseren Zweitschlüssel zu unserer Nachbarin gebracht. Für alle Fälle.
»Wir schaffen es früh genug«, sagte ich, um Erika zu beruhigen. »Kein Schnee und kein Frost.«
Sie schaute prüfend in den dunklen Wolkenhimmel und hielt sich bereit, unsere Tochter während der Reise zu unterhalten.
»Nur noch einige Schultage, dann haben wir Ferien«, sagte ich mit Vorfreude und startete den Wagen für unsere Wochenendreise nach Münster, dem Wohnort meiner Schwiegereltern.
Ich kannte mich bestens aus. Die Zufahrtsstraße in die Stadt nahm ich jeden Morgen. Bei dem lebhaften Gegenverkehr war an Überholmanöver nicht zu denken. Ich fuhr in der Kolonne mit LKW-Geschwindigkeit. Das monotone Geräusch des Motors unterbrach gelegentlich Anja, wenn sie vor Freude juchzte, während Erika mit ihr spielte. Die Scheibenwischer schoben mit exakten Strichen die Regentropfen und den Schneematsch eines Schauers zur Seite. Der Brummer vor mir schwenkte aus und verschwand im grellen Licht einer Tankstelle. Vor meinem Blick lag der dunkle Asphalt, der die Scheinwerferstrahlen des Gegenverkehrs spiegelte.
Während mein Wagen gleichmäßig dahinglitt, tauchten meine Gedanken in den auf Hochtouren laufenden Weihnachtsrummel ein. Ich bin kein Tierfeind, finde aber weder an Katzen, Hunden oder Pferden so viel Gefallen, dass ich sie um mich haben
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