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Boeses Spiel

Titel: Boeses Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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Felicitas, an Annika, an Simon.
    »Ich denke manchmal, fast alle können mich nicht leiden«, sagte ich. Ich versuchte, das irgendwie wegzulächeln, aber es gelang mir nicht.
    So schwer es für mich war in diesem Augenblick: Ich fühlte mich auch erleichtert. Endlich konnte ich mit jemandem reden. Wenngleich - es war nicht gut, dass es ausgerechnet Ravi war. Ich wollte nicht, dass Ravi einen so tiefen Blick in mein Leben werfen konnte. Ich dachte damals, dass Jungen nur solche Mädchen mögen, die strahlend und positiv und bepackt mit Selbstbewusstsein durch das Leben stolzieren. Ich dachte, wenn Ravi sieht, in welchem Elend ich stecke, dann hat er sofort genug von mir.
    Ich wollte aber, dass er mich mochte.
    Ich brauchte so dringend einen Freund.
    Ich versuchte, cool zu wirken.

    Er zappte sich noch einmal durch die letzten SMS. »Wer schreibt dir bloß so was?«
    »Würdest du unter solche SMS deinen Namen setzen?«, fragte ich. »Wenn ich anrufe, erreiche ich niemanden.«
    Er fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. »Ich kann es nicht fassen, dass jemand so gemein ist«, sagte er dann.
    »Ach«, meinte ich, »ich hab mich dran gewöhnt.« Es sollte gleichmütig klingen.
    »Das glaub ich dir nicht, an so was kann man sich nicht gewöhnen. Wie oft kriegst du so eine Mail?«
    »Jeden Tag«, sagte ich forsch. Aber meine Stimme klang heiser.
    Ravi starrte mich an. »Nicht dein Ernst.«
    »Doch. Manchmal sind es auch zwei. Oder drei.«
    »Zu besonderen Zeiten?«
    »Immer nachmittags, auch manchmal abends, bevor ich ins Bett gehe.« Da kann man dann besonders gut einschlafen, fügte ich im Stillen hinzu.
    Ravi starrte düster vor sich hin. Ich spürte, wie es an ihm zerrte, wie es ihn aufregte. Es tat mir so gut, dass jemand sich für mich aufregte. Ich fühlte mich plötzlich nicht mehr wie ein Stück Dreck, wie eine Fußmatte, auf der sich alle ihre schmierigen Schuhe abtraten.
    »An so was geht man doch kaputt«, sagte er.
    Ich presste die Lippen aufeinander.
    Ravi schüttelte ungläubig den Kopf. Er griff wieder nach dem Handy. Wie schon gesagt, ich hatte eine Reihe alter SMS gelöscht; wenn er gewusst hätte, was da sonst noch alles angekommen war... Ich meine, manche Sachen waren richtig pornografisch, da wurde man schon vom Lesen rot. Das hab ich immer sofort weggedrückt.

    Mein Arzt sagt, schade. Wenn man das alles noch hätte, da würde ich besser verstehen, warum ich am Ende so schwerkrank geworden bin. Ravi hatte ja recht: Ich bin daran kaputtgegangen.
    Eine einzige solche fiese SMS, meint mein Arzt, muss noch kein Problem darstellen. Aber wenn man jeden Tag so etwas bekommt, wenn man jeden Tag gedemütigt und in seinem Selbstwertgefühl verletzt wird, dann wirkt das zerstörerisch, jeden Tag ein bisschen mehr.
    Dieses Mobbing, das nicht aufhört, das ist, als würde man einem Menschen jeden Tag eine kleine Portion Gift ins Essen mischen. Einmal verträgt der Körper das, vielleicht auch zwei, drei Mal. Aber das Gift breitet sich aus und irgendwann kann der Mensch nicht mehr. Bricht einfach zusammen.
    Damals kannte ich diese Zusammenhänge noch nicht, damals wusste ich ja noch nicht, dass ich schon auf dem Wege in eine tiefe Depression war. In einen Zusammenbruch. Dass ich schon völlig kaputt war. Ich meine, dieses sinnlose Klauen von Klamotten war ja schon ein Indiz für meine Krankheit.
    »Und wieso tust du nichts gegen diese SMS?«, fragte Ravi.
    »Was denn?«
    Er überlegte. »Hast du mal mit Simonis gesprochen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Er ist dein Klassenlehrer.« Ravi sah mich an.
    »Ich weiß. Aber ich glaube nicht, dass es etwas nützen würde, außerdem weiß Herr Johnson Bescheid.«
    »Euer Mathelehrer?«
    Ich nickte.
    »Das mit den SMS?«

    »Nein. Wegen der Sache, die sie an die Tafel geschrieben haben.«
    Ich wollte es eigentlich nicht erzählen, es sollte zu den Peinlichkeiten gehören, die ich niemals im Leben jemandem erzählen wollte.
    Aber weil Ravi da war und weil seine Gegenwart mich wärmte und weil er so ehrlich war und so betroffen, erzählte ich es ihm doch.
    »Ich bin...« Ich holte Luft. »Ich bin zur hässlichsten Schülerin vom Erlenhof gewählt worden.«
    Er starrte mich an. »Wie? Was soll das heißen? Ich verstehe nicht...«
    Ich nickte.
    »Zur hässlichsten Schülerin?« Er war fassungslos. »Wer denkt sich so was Abartiges aus?«
    Ich nickte wieder.
    Er schwieg einen Augenblick, schüttelte den Kopf. »Und außerdem ist das der größte Witz, den ich je gehört

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