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Boeses Spiel

Titel: Boeses Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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Naddel unlängst das Wort »Pferdehaare« dafür »kreiert« hatte? Deshalb konnte ich keinen Pferdeschwanz mehr tragen, und einen Zopf schon gar nicht. Ich trug mein Haar jetzt meistens offen. Das bedeutete, ich musste es mir jeden Tag waschen und brauchte mindestens zehn Minuten, um es auszukämmen. Und dann ließ ich es einfach glatt über den Rücken
fallen. Allerdings nur, bis mir in der Physikstunde, als wir ein Experiment machten und das Licht ausgeschaltet war, jemand von hinten ein großes V in die Haarspitzen geschnitten hat. Ich hab’s nicht gemerkt. Ich hab nur an dem Getuschel später auf dem Schulhof gespürt, dass irgendwas nicht in Ordnung ist. Seitdem schlinge ich immer einen Schal um meinen Hals, in den stecke ich dann die Haare. Mein dickes Haar habe ich von meiner Mutter geerbt. Sie sagt immer: Es ist der natürlichste und schönste Schmuck einer Frau.
    Aber so oft, wie ich wegen meiner Haare in dieser Schule etwas auszustehen hatte, da wünschte ich mir manchmal eine Glatze.

    Ravi tauchte ganz plötzlich auf. Ich glaube, im gleichen Augenblick kam auch die Sonne durch die Wolken und tauchte den ganzen Hof in ein strahlendes Licht, oder es schien mir nur so, dass alles heller wurde, als ich ihn da auf einmal sah, in dem Durchgang, wo ich stand. Ravi in einem akkurat gebügelten weißen Hemd und hellen Hosen mit Falte. Wenn ich ihn heute vor mir sehe, dann immer in weißen Hemden und in Hosen mit Bügelfalte. Ravi bügelte seine Sachen selbst, das fand er ganz normal, jeden Morgen ein frisches, selbst gebügeltes Hemd anzuziehen, wenn die anderen in ihre versifften T-Shirts und ausgebeulten Jeans stiegen.
    Keiner gab je einen Kommentar dazu ab. Ich glaube, Ravi war auch der Einzige an der Schule, der nie Jeans trug. Obwohl Jeans so eine Art Uniform sind. Ohne geht eigentlich gar nichts. Ravi machte da nicht mit. Und es war okay. Was Ravi tat, war in den Augen der Erlenhofer eben alles richtig.
    Nur ich machte alles falsch.
    Das große Wunder war eigentlich, dass er mich trotzdem
zu mögen schien. Jedenfalls ein bisschen. Jedenfalls genug, um mich auf dem Handy anzurufen, als er mich zufällig in der Stadt traf.
    Ich hatte mich inzwischen noch nicht gefangen, denn diese blöde Bräunungscreme in meiner Tasche war wie eine tickende Zeitbombe. Ich fühlte mich unwohl mit dem geklauten Ding und hätte es am liebsten im nächsten Papierkorb entsorgt. Aber das wäre erst recht aufgefallen. Immerhin kostete die Creme mehr als zwölf Euro. Wer wirft so was weg?
    Ravi wollte wissen, was ich in der Stadt machte. Ich dachte mir irgendeine Lüge aus, inzwischen war ich im Lügen richtig gut geworden.
    »Ich hab dich angerufen vorhin. War aber nur die Mailbox. Dann hab ich’s mit einer SMS versucht.« Er lächelte. »Ich hab dich nämlich schon auf dem Bahnhof gesehen.«
    »Ach ja?« Ich überlegte fieberhaft, ob ich irgendetwas getan haben könnte, was seinen Argwohn hätte erregen können. Aber mir fiel nichts ein.
    »Und warum hast du mich angerufen?«, fragte ich, um ihn abzulenken. »Wolltest du mir was sagen?«
    »Ich wollte dir erzählen, dass mein Dad nächste Woche kommt. Er will mich zum Essen einladen. Er hat gesagt, ich soll jemanden mitbringen. Wir wollen uns einen super Abend machen.«
    Ich sah ihn verständnislos an. »Und da willst du, dass ich... Ich meine, wieso denn ich?«, fragte ich verwirrt.
    Ravi lachte. »Gegenfrage: Wieso nicht?«
    »Ja, aber ausgerechnet ich!« Ich wollte sagen, es gibt so viele tolle Frauen an der Schule, und du fragst ausgerechnet mich? Das macht doch keinen Sinn.

    »Weil ich gern mit dir zusammen bin und weil du die Einzige bist, mit der mein Vater sich bestimmt gerne unterhält.«
    »Und wieso?« fragte ich.
    »Mein Gott!« Ravi verdrehte die Augen. »Soll ich dir jetzt eine Liebeserklärung machen?«
    Ich wurde puterrot. »Bloß nicht!«, rief ich, ein bisschen zu schnell. Dabei hätte ich wahnsinnig gerne eine Liebeserklärung gehört. Es wäre meine erste gewesen.
    »Du bist so schlau«, sagte Ravi, »das gefällt mir. Mit dir kann man über so viele Sachen reden.«
    Das stimmte. Wir hatten Diskussionen über alles Mögliche, über Tsunamis, über den Krieg im Irak, über das Klima und erst ein paar Tage zuvor über einen australischen Frosch, der ausgestorben ist, weil die Wissenschaftler zu viele Experimente mit den wenigen Exemplaren gemacht haben, die es auf der Welt noch gab. Wir fanden das beide richtig tragisch.
    »Du interessierst dich sogar für

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