Boeses Spiel
habe.« Er blickte mich an. »Du bist doch schön.«
Ich schaute schnell auf den Boden, damit er nicht sah, dass dieser Satz mich wie ein Pfeil getroffen hatte. Mitten ins Herz.
Und dann sagte ich etwas, für das ich mich damals hätte ohrfeigen können und zwar vierundzwanzig Stunden am Tag: »Du kannst es im Internet nachlesen.«
»Im Internet?«
»Ja. Im Schülerforum. Du weißt schon wo. Die Lehrer haben keine Ahnung, was sich da alles abspielt. Da gibt es ein Forum, das heißt ›We are Celebreties‹. Und da ist eine Stelle, die sie extra nur für mich eingerichtet haben. Um sich über mich auszutauschen.«
Er wollte es nicht glauben. Er konnte nicht so schmutzig denken, wie andere Leute handelten. Ich erzählte ihm von den Sachen, die sie dort geschrieben hatten.
»Und auch da weißt du nicht, wer dahintersteckt?«
»Sie geben sich andere Namen.« Ich zuckte die Schultern. »Wie willst du das rauskriegen?«
»Man müsste das Zeug löschen.«
»Aber es geht ja nicht«, erwiderte ich. »Da kommt man nicht ran. Ich kann das nicht beeinflussen, ich kann nie irgendetwas richtigstellen, egal was sie über mich schreiben. Ich kann es nicht löschen und nicht verändern. Das können nur sie, ich darf den ganzen Schrott nur lesen.«
Ravi lehnte sich zurück. »Ich krieg das raus«, sagte er.
Er schaute mich an. »Ich krieg das für dich raus. Irgendwie werde ich dir helfen.«
Mir war zum Weinen. Ich hätte mich am liebsten in seine Arme geworfen und hemmungslos geheult. Aber das tat ich natürlich nicht, ich wollte meine Coolness nicht verlieren. Aber es hätte mir gutgetan, das weiß ich heute.
An dem Abend setzte ich mich sofort an den Computer und loggte mich ein. Ich wusste, Ravi würde in diesem Augenblick dasselbe machen, und ich wollte wissen, was er da las. Wie gemein es war. Ich wollte es mit seinen Augen lesen.
Ich brauchte nicht lange, da fand ich den ersten Eintrag über mich.
Von ROSENSTOLZ: »Neue Fotos von Svetlana. Klickt hier auf MEHR.«
Als ich das MEHR anklickte, baute sich ein Bild auf, das ich zuerst gar nicht begriff. Es setzte sich wie ein Puzzle aus ganz kleinen Teilen zusammen. Ich sah mal einen Schuh.
Dann einen Haaransatz. Dann ein Stück von einem Bein. Und erst als der Computer FERTIG meldete, konnte ich auf Verkleinerung gehen und das ganze Foto ansehen.
Es war, als drücke mir jemand die Kehle zu, als presse er seinen Daumen auf meinen Kehlkopf, ich japste nach Luft. Dann musste ich husten, riss die Augen auf, schaute dabei wieder auf dieses Foto und die Unterschrift und dachte nur: Ravi sieht das. Ravi sieht das jetzt, Ravi sieht dieses verdammte Bild, und es gibt nichts, womit ich ihn daran hindern kann.
Es war das Foto von Anna. Dem Mädchen aus der Siebten, dem unlängst auf dem Maifest so speiübel gewesen war. Nadine, die blöde Naddel!, hatte es mit dem Handy gemacht. Ich sah die Szene genau vor mir, wie sie plötzlich reingekommen war, immer mit diesem Handy in der Hand.
Ein Foto von einem Mädchen auf dem Klo. Der dreckige Slip ringelte sich um ihre Füße, ihre Oberschenkel waren verschmiert von Erbrochenem. Es sah schaurig aus, vollkommen eklig. Aber das war nicht das Schlimmste, das Schlimmste war, dass sie in dieses Foto meinen Kopf montiert hatten! Meinen Kopf auf Annas Körper. Mein Kopf gehörte zu dem dreckigen Slip und den vollgekotzten Schenkeln und den Lackschuhen, an denen auch Erbrochenes klebte. Mein Gesicht!!!!
Und darunter die Zeile: »SVETLANA HAT DIE HOSEN VOLL«
Mein Handy klingelte. Ich ging nicht ran. Ich saß da und starrte auf das Bild und wusste, dass ich das nie vergessen würde. Mein ganzes Leben würde ich dieses Bild nicht aus dem Kopf bekommen.
Das Telefon klingelte wieder.
Ich nahm es hoch. »Ja?« Ich flüsterte.
»Ich hab’s gesehen«, sagte Ravi.
»Ja. Dachte ich mir.« Meine Stimme war kaum hörbar.
»Es ist eklig«, sagte Ravi.
Eine Weile konnte ich nicht antworten.
»Ja, ich weiß«, sagte ich dann leise. »Aber ich bin das nicht. Ich weiß, wer das Mädchen ist, ich habe ihr geholfen, ihr war schlecht und sie hatte...«
»Ich will das gar nicht wissen«, sagte Ravi.
»Aber du musst mir glauben. Sie haben... es ist eine Montage …«
»Okay«, sagte Ravi. Er zögerte. »Ich glaube dir.«
»Ich hab keinen Tropfen auf dem Fest getrunken!« Fast rief ich es. Ich wusste, dass Ravi keinen Alkohol mochte.
»Beruhige dich«, sagte er. »Es ist ja gut.«
»Mir ist so etwas noch nie passiert, das schwöre
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