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Bomann, Corinna - Clockwork Spiders

Bomann, Corinna - Clockwork Spiders

Titel: Bomann, Corinna - Clockwork Spiders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Bomann
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dampfbetriebene Seitenbahn, die seit dem Jahr 1885 in Betrieb war, betrachteten noch immer viele Bürger der Stadt als Ausgeburt der Hölle, doch Violet fühlte jedes Mal, wenn sie den aus groben Stahlplatten zusammengeschraubten Bahnsteig betrat, ein aufgeregtes Kribbeln im Magen, gerade als hätte sie von Miss Devereaughs Prickelbonbons genascht, die seit Violets Fauxpas bei einem Abendempfang aus dem Haus Adair verbannt waren. All den Beteuerungen, dass ihr der Rülpser nur aus Versehen entwichen war, hatte ihre Mutter nicht geglaubt und Alfred strikte Order erteilt, diese Süßigkeit von der Einkaufsliste zu verbannen. Nachdem Violets Versuche, ihre Mutter umzustimmen, fehlgeschlagen waren, hatte sie Alfred bestechen wollen, doch auch wenn er sich zu vielen Dingen bewegen ließ – die Absicht, seine Stellung wegen ein paar Bonbons zu gefährden, hatte er nicht.
    Mit jeder Station wechselten die Passagiere der Seitenbahn. Dienstmädchen kamen und gingen, hin und wieder gesellte sich ein Bote oder Postmann dazu. Je näher sie der Themse kamen, desto öfter stiegen Arbeiter zu, deren rußgeschwärzte Kleidung darauf hinwies, dass sie auf dem Weg zu ihrer Schicht im Stahl- oder Dampfviertel waren.
    Während im Stahlviertel Schiffe, Bahnwaggons, Lokomotiven und Kriegsmaschinen gebaut wurden, fertigte das Dampfviertel Zeppeline und andere Flugapparate an, auch feinere dampfbetriebene Apparaturen, die mittlerweile im täglichen Leben der Stadt immer größere Bedeutung erlangt hatten und für viel Komfort sorgten.
    Der neue Schwall Arbeiter gehörte zum Stahlviertel, das sah man an den dunklen Gesichtern, in denen das Augenweiß wie frischer Schnee auf Kohlen leuchtete, und das, obwohl sie ihre Schicht noch nicht begonnen hatten. Wer ständig von Ruß, Rauch und Kohlestaub umgeben war, bekam nach einer Weile den Schmutz nicht mehr aus den Poren.
    Kurz vor der Station Bankside drängten Violet und Alfred zur Tür. Die Bahn hielt nur für wenige Augenblicke, wer beim Ausstieg trödelte, musste bis zur nächsten Station fahren. Auf einen Besuch in Greenwich hatte Violet keine Lust, also sprang sie, sobald der Zug hielt, behände aus der Tür, die, kaum dass Alfreds Fuß wieder festen Boden berührt hatte, mit einem metallischen Rattern zuschlug, und schon war der Zug in einer riesigen Dampfwolke davon gezischt.
    »Der Kerl fährt heute ja wie ein Henker!«, beschwerte sich Alfred, während er aus alter Gewohnheit den Staub von seiner Jacke wedelte. »Liefern sich die Seitenbahnfahrer etwa wieder ein Rennen?«
    »Sie wissen doch, dass Rennen auf der Schiene verboten sind.«
    »Und wie es nun mal mit Anordnungen von oben ist, werden sie gern von den Leuten umgangen. Ich möchte nur mal wissen, wie sie die Fahrzeiten stoppen, ohne zu betrügen.«
    »Wer sagt denn, dass sie nicht betrügen?«, gab Violet zurück, doch sie hatte keine Lust darauf, heute über die Seitenbahnen zu diskutieren. »Und jetzt kommen Sie, wir sind spät dran.«
    Die Welt, in die sie jetzt eintauchten, malten sich viele Bewohner Belgravias nicht in ihren kühnsten Träumen aus. Natürlich waren in den Salons die Armut und das Elend in der Stadt ein Thema, aber bestenfalls als abstraktes, gesichtsloses Phantom, von dem man sich bei Tee und Scones leicht abwenden konnte. Wer aber nach Southwark kam oder gar den Mut hatte, sich nach Whitechapel mit seinen Mietskasernen zu wagen, konnte der Armut ins blasse, hohlwangige Gesicht sehen. Gerade wegen des Elends, das hier herrschte, war es niemals still in diesem Teil Londons. Mochten die Maschinen der Innenstadt und Belgravias irgendwann in der Nacht leiser werden, die Stimmen von Southwark verstummten nie. Männer fluchten hinter zerbrochenen Scheiben, Frauen lallten entweder vom billigen Gin oder weinten, weil ihre Männer ihre Fäuste nicht hatten im Zaum halten können. Recht oft schrie ein Baby oder weinte ein größeres Kind. Worte der Verzweiflung waren hier häufiger als Liebesschwüre. Alles zusammen bildete eine Symphonie aus Misstönen, die die reichen Bewohner Londons nicht hören wollten und nicht hören mussten.
    Maschinen, wie sie in Belgravia für Komfort sorgten, gab es hier nicht.
    Vielleicht hatte sich Violet gerade deshalb entschieden, ihren geheimen Ort, ihr Labor, hier einzurichten. Im Laufe ihrer siebzehn Lebensjahre hatte sie schon oft erfahren, dass Idealismus nur bedingt etwas ändern konnte, dennoch wollte sie die Hoffnung, auch den ärmsten Bewohnern Londons das Leben ein wenig zu

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