Bomann, Corinna - Clockwork Spiders
immer vorstellte, obwohl die gar nicht wabbelig waren, sondern nur wabbelig aussahen.
»Nach Sarahs Tod habe ich geglaubt, niemals wieder jemanden lieben zu können, aber da habe ich mich getäuscht. Ich habe mich ganz furchtbar in Sie verliebt, Lady Violet Adair. Und es wäre mir eine wahnsinnige Ehre, Sie zum Debütantenball begleiten zu dürfen, auch wenn mindestens ein Dutzend Adelige deswegen in Ohnmacht fallen werden.«
Damit zog er sie an sich, und endlich fanden sich ihre Lippen zu dem lang ersehnten Kuss. Er schmeckte irgendwie nach Zimt oder Muskat, war warm und weich und so völlig anders, als sich Violet einen Kuss vorgestellt hatte. Als seine Lippen sich von ihren lösten, war es, als hätte man ihr ein Stück ihrer selbst abgerissen, zu dem sie unbedingt wieder hinwollte. Jetzt küsste sie ihn, vielleicht noch etwas unbeholfen, doch in ihrem Kuss lag alles, was sie für ihn fühlte, was sie bereits unbewusst gefühlt hatte, als sie auf dem Ball nach ihm gesucht hatte.
»Nun, was meinst du?«, fragte Hieronymus ein wenig atemlos. Noch immer hielt er sie so fest an sich gedrückt, dass sie seinen Herzschlag fühlen konnte. Violet wollte am liebsten nie aus dieser Umarmung entlassen werden. »Wie wäre es mit einem kurzen Abstecher ans Meer? Das soll von oben im Sonnenlicht auch sehr reizend sein.«
»Gern, aber mein Vater …«
»Der weiß doch, in wessen Obhut du bist. Und ich glaube, ich habe meine Tauglichkeit als dein Beschützer bewiesen.«
»Beschützer?« Violet zog empört die Augenbrauen hoch. »Ich habe genauso gekämpft wie du!«
Hieronymus lachte. »Das stimmt. Ich wollte dich nur ein bisschen ärgern, dann siehst du immer so niedlich aus.« Er gab ihr einen schmatzenden Kuss auf den Mund, dann trat er wieder ans Steuer. »Also ans Meer?«
»Ja, ans Meer«, entgegnete Violet lächelnd, während sie neben ihn ans Steuer trat und hinausblickte auf das schönste Morgenrot, das sie je gesehen hatte.
Kleine Randbemerkung der Verfasserin
Eine Welt aus Dampf und Zahnrädern, eine Welt finsterer Komplotte, viktorianischer Zurückhaltung und lodernder Liebe kann man natürlich nur erschaffen, indem man die zuweilen farblose Realität hinter sich lässt und sich in das Reich der Fantasie begibt, wie ich es mit dem vorliegenden Roman getan habe.
Steampunk war das Stichwort, das mich bereits seit dem ersten Kontakt fasziniert hat. Lebensart, Mode, Redensarten und Geschichten. Seitdem bin ich in einige Romane und Filme dieses Genres eingetaucht, und ich bin ein echter Fan, eine Abhängige – süchtig nach Gaslicht und Zahnrädern. Obwohl es hier und da Anleihen an tatsächliche Geschehnisse des 19. Jahrhunderts gibt, ist das London, das ich hier erschaffen habe, vollkommen das Werk meiner Denkerschmiede, die zuweilen Violets chaotischem Laboratorium ähnelt. Namen wurden verändert, Gegebenheiten zurechtgebogen, Erfindungen und Erkenntnisse vorweggenommen, Personen eingefügt oder gestrichen.
Jedem meiner Charaktere (außer vielleicht Moray und Lady Sissleby) habe ich einen Zug von mir mitgegeben, jede Erfindung hätte ich erfinden wollen – ob mir das besser gelungen wäre als meiner Heldin, sei dahingestellt.
Aber ich hoffe, mit diesem Buch gute Laune und Neugier entfacht zu haben – und Inspiration, die einschlägt wie der Blitz aus Violets Schirm.
Übrigens: Ja, ich liebe Spinnen!
Corina Bomann Herbst 2011
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