Bombenbrut
Learjets zu. Drei von ihnen stehen mit heulenden Motoren in ausgewiesenen Parkbuchten, bei ihnen sind die Gangways heruntergelassen, drei weitere sind verschlossen.
Er zögert nicht lange, geht zu der weißen Maschine, sieht, dass bei ihr ebenfalls eine Gangway angelehnt ist, und marschiert wie selbstverständlich die Stufen hinauf, als wäre er der Besitzer. Doch vor der Eingangstür tritt ihm ein in Fluguniform gekleideter junger Mann entgegen.
»Xin chao«, begrüßt ihn Leon lässig, wozu hat er seine Vokabeln gelernt?
Der Mann lächelt, sagt zuerst nur: »Hello!«, mustert Leon genauer und schiebt lächelnd nach: »Guten Tag auch.«
Leon ist überrascht.
»Dein Rucksack«, klärt der vermeintliche Flugbegleiter Leon auf.
Dieser hängt locker an Leons Schulter. Er zieht ihn nach vorn und sieht das ›taz‹-Logo der Berliner Tageszeitung. »Dass man das hier kennt?«
»Ich bin aus Berlin«, strahlt der junge Mann.
»Und was machen Sie hier?«
»Ich bin Pilot.«
»Hier?«
»Ja, hier kommt man schneller hinter den Knüppel, zu Hause gibt es viel zu viele von uns.«
»Und hier?«, fragt Leon interessiert.
»Gut ausgebildete Piloten werden hier händeringend gesucht. Wir fliegen für eine private Gesellschaft, unsere Kunden und Gäste bevorzugen deutsche Piloten, den Vietnamesen trauen sie nicht allzu viel zu.«
»Und wohin fliegen Sie so?«, erkundigt sich Leon wie nebenbei.
»Meist im asiatischen Raum.«
»Lassen sich die Geschäftsleute der Deutschen Bank nicht mal in Frankfurt abholen?«
»Das kommt selten vor, wobei – ich komme jetzt gerade tatsächlich aus Deutschland.«
»Ich auch«, lacht Leon, »vom Bodensee.«
»Ich ebenfalls«, freut sich der junge Flugkapitän. »Vom Bodensee.«
Bingo!, denkt Leon, jetzt nur nicht das scheue Wild verschrecken! Er muss erfahren, wen der Kerl geflogen hat, am besten Namen und Adresse des Kunden. »Ich kam mit der Swissair aus Zürich.«
»Und ich mit Mr Otto aus Friedrichshafen.«
»Otto? Wer ist Otto?«, fragt Leon nach außen hin völlig unbedarft.
»Unser Charterer, ein Geschäftsmann hier aus Ho-Chi-Minh-Stadt, der uns manchmal bucht. Er stammt übrigens auch aus Berlin«, plaudert der junge Pilot munter drauflos.
»Da scheint ein Nest zu sein«, scherzt Leon.
»Ja, es gibt hier viele Geschäftsleute aus Berlin, Ho-Chi-Minh-Stadt will den Anschluss an die globale Business World schaffen. Vergangene Woche war der deutsche Außenminister hier, der hat sogar Mr Ottos Werk besucht und ihn einen Vorzeigepionier genannt.«
»Was macht der Mann?«
»Keine Ahnung«, zuckt der Pilot die Schultern, »aber warte mal, ich glaube, der hat einige Prospekte von seinem Unternehmen dagelassen.« Der junge Berliner dreht sich um, verschwindet im Innern des Fliegers und kommt mit einem Flyer einer EDV-Firma zurück. »Tick-Tack«, lacht er. »Nein«, korrigiert er sich dann: »DigDat – Datenverarbeitung.«
Leon ist zunächst enttäuscht. Aber was hat er erwartet? Eine Visitenkarte des chinesischen Geheimdienstes? Er nimmt den Prospekt, schaut ihn sich an, bedankt sich bei dem Piloten und verschwindet.
Seinem Taxifahrer zeigt er die Adresse von DigDat. Der Mann nickt und fährt los.
Leon schaut aus dem Fenster, schnell ist er gefangen von all den bunten Bildern auf der Straße. Mopedfahrer mit vier Personen auf der schmalen Sitzbank, ein Radfahrer mit einem großen, selbst gezimmerten Hühnerstall auf dem Gepäckträger, in dem tatsächlich lebende Hühner gackern, dann ein Motorradfahrer, der auf dem Gepäckträger ein ganzes, lebendes Schwein transportiert.
Der Verkehr ist der helle Wahnsinn, Millionen von Menschen huschen über die Straßen rund um Leons Taxi, es erschließt sich ihm nicht, welchen Regeln sie dabei folgen, aber einen Unfall bekommt er trotz all dem Drunter und Drüber nicht zu Gesicht.
Sein Taxifahrer steckt sich eine Zigarette nach der anderen an, hupt ununterbrochen und steht abwechselnd auf dem Gas und auf der Bremse. Sein kleiner japanischer Wagen ist vollgemüllt mit allerlei Krimskrams: Auf dem Armaturenbrett steht ein Buddha, daneben ein paar andere Figuren, in Leons Augen vergleichbar mit einem Krippenspiel zu Weihnachten. Am Rückspiegel hängt einer dieser stinkenden Duftbäume, dessen Geruch für Leons Empfinden widerlich süß ist. Dazu steht zwischen dem Fahrer und ihm ein Papiertaschentuchspender und in einer hässlichen Kitschvase, direkt auf seiner Augenhöhe, stecken knallbunte Kunstblumen.
Leon konzentriert sich
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