Bombenbrut
Viet wird dabei wieder redseliger, Leon erkennt, viel Alkohol verträgt sein neuer Freund nicht, sodass er schon bald wieder auf die Firma und Mr Otto zu sprechen kommt. Doch leider hat Viet nicht mehr auszuplaudern, weder weiß er etwas über ein Superteleskop noch über chinesische Geschäftsbeziehungen.
»Nein«, ist er sich sicher, »alle Firmen, die wir betreuen, sitzen in Europa, die meisten in Deutschland.«
Schließlich fahren sie Viet wieder zurück zur Firma DigDat, dort steigt er auf sein Fahrrad und Leon schaut ihm amüsiert zu, wie er in Schlangenlinien davonradelt.
Leon merkt, dass er dringend pinkeln muss, aber gleichzeitig sieht er einen weißen Mercedes aus der Ausfahrt von DigDat schießen. Schnell springt er in das Taxi, wartet, bis der Mercedes sich in den Verkehr eingefädelt hat, und weist den Fahrer an, sich an die Stoßstange des Westautos zu hängen.
Der noble Wagen prescht mit überhöhter Geschwindigkeit durch die vollgestopften Straßen und braust rücksichtslos an den Radlern vorbei.
Leons Fahrer macht es ihm nach und freut sich, endlich einem Deutschen seine Fahrkünste zeigen zu können. »Schumaker«, ruft er immer wieder begeistert, während Leon sich vor den Radfahrern schämt und sich am liebsten bei allen entschuldigen würde.
Endlich wird der Wagen langsamer, die Straßen freundlicher und die Wohnanlagen gepflegter. Sie sind irgendwo im Norden von Ho-Chi-Minh-Satdt, aber für Leon sieht es aus wie in einem Vorort von Stuttgart. Fertighäuser reihen sich aneinander. Ottos Mercedes fällt hier nicht auf, der Wagen wird langsamer, ein Eisentor öffnet sich und der Mercedes verschwindet dahinter.
Leon gibt dem Taxifahrer ein Zeichen, vorbeizufahren. Dabei beobachtet er, wie aus dem Fond des Mercedes ein Mann aussteigt und, ohne sich umzusehen, in der noblen Villa verschwindet.
Jetzt erst lässt Leon das Taxi am Straßenrand anhalten. Schon wieder steht er vor einem verschlossenen Gebäude und weiß nicht weiter. Ob er gerade diesen ominösen Herrn Otto gesehen hat? Wohnt er hier? Aber wo sind Herbert Stengele und Markus Kluge?, fragt er sich. Hier in diesem Haus? Oder in dem Unternehmen? Oder ganz woanders?
Der Taxifahrer ist von seinen vier Bieren müde. Leon wünscht ihm eine Gute Nacht, er soll schlafen, während er selbst das Haus im Auge behalten will. Genervt nimmt er die unechten Blumen aus der Vase vor seinen Augen und wirft sie achtlos auf die Rückbank, dann reißt er den stinkenden Duftbaum vom Rückspiegel und schmeißt ihn hinaus auf die Straße. An den Buddha traut er sich nicht, dafür entsorgt er die süßlich riechenden Papiertücher ebenfalls im Fond des Wagens.
Schließlich richtet er es sich gemütlich in seinem Autositz ein und hält die Eingangstür des mutmaßlichen chinesischen Unterhändlers im Auge.
Die erste wirklich neue Erkenntnis im fernen Osten schenkt ihm sein Taxifahrer: Auch betrunkene Vietnamesen schnarchen!
23
Björn Otto ist gut gelaunt. »Morgen, Kinder, haben wir alles unter Dach und Fach«, ruft er fröhlich in das Wohnzimmer und klopft Herbert Stengele brüderlich auf die Schulter, »ich habe mit den Chinesen gesprochen, wir haben gewonnen!«
Stengele schaut ihn feindselig an. Gerade hatte er mit Markus auf dessen iPod ein gigantisches Mozart-Konzert gehört: Die Neuerscheinung der Violinkonzerte Sinfonia Concertante von Anne Sophie Mutter. Ein Mozart, den man so schnell nicht wieder aus dem Kopf bekommt. Das Zusammenspiel von Bashmet und Mutter ist brillant, aber jetzt dieser widerliche Kretin von Otto …
Er und Markus waren, während sie das Konzert hörten, eng zusammengesessen. Die kurzen Kabel der Ohrstöpsel des iPods zwangen sie dazu. Er hatte die Nähe zu seinem Sohn genossen. Endlich hat sich für ihn ein Schleier gelüftet. Er hat diese Verwandtschaft ihrer Seelen schon immer gespürt. Markus ist wie er. Matthias dagegen ist, wie dieser Björn Otto, nur auf Geld aus gewesen.
Aber Markus hat seit Kindesbeinen seine starke Neigung zur klassischen Musik erkennen lassen. Als ihre Familien noch enger befreundet waren, ist Markus mit seinem Vater öfter bei ihm zu Besuch gewesen. Eines Tages, der Junge war damals gerade fünf Jahre alt, hat er sich einfach seine Geige aus dem Kasten geholt und schrappte mit Lust aber auch viel Gefühl darauf herum. Er selbst wollte ihm gespannt zuhören, aber Matthias nahm dem Jungen das Instrument rüde ab. »Damit verdient man kein Geld, Junge!«, sagte er streng und schielte überheblich
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