Bombenbrut
Matthias, nicht Ihr leiblicher Vater sein kann!« Dabei schaut er Markus selbstsicher in die Augen. »Sie haben eine ganz andere Blutgruppe als Ihre Eltern.« Daraufhin dreht er sich zu Stengele: »Interessanterweise die Blutgruppe dieses Herrn.« Dabei zeigt er auf Herbert Stengele.
Dieser streift Markus mit einem kurzen Blick. »Ich will jetzt gehen«, sagt er, er fühlt sich sichtlich unwohl.
Doch Björn Otto ist in seinem Element: »Warten Sie, ich habe noch etwas für Sie. Sie wollen bestimmt den Beweis für meine Behauptung, nicht wahr?«
Markus Kluge und Herbert Stengele stehen nebeneinander wie zwei begossene Pudel. Sie trauen sich kaum, einander in die Augen zu sehen.
Björn Otto liebt diese Augenblicke seines Wissensvorsprungs und genießt die Macht, die sie ihm schenken. »Sie kann schließlich nicht mehr viel umwerfen, leiden Sie doch beide an ein und derselben, schweren Krankheit.«
Dabei bewegt er wieder den Cursor, öffnet weitere Dateien unter der Rubrik ›Diagnostizierte Krankheiten‹ und markiert in beiden Feldern: ›Chorea Huntington‹.
Es ist still. Niemand sagt ein Wort.
Herbert schaut zu Markus, Markus blickt Herbert in die Augen. Björn Otto triumphiert innerlich, Iris Köppke entfährt ein schriller Schrei: »Das ist ja schrecklich«, bricht es aus ihr hervor. »Was heißt das?« Dabei mustert sie Markus besorgt.
»Mach dir keine Sorgen«, erwidert Stengele in einem ihr gegenüber ungewohnt vertrauten Tonfall, »bei mir ist die Krankheit bis heute nicht ausgebrochen und ich bin über 50.«
»Mein Vater«, beginnt Markus, dann stutzt er verwirrt. »Äh, nun ja, Matthias eben«, fährt er gefasster fort, »hat nach meiner Diagnose gesagt, er hätte die Krankheit von seinem Vater vererbt bekommen und dieser sei über 70 Jahre alt geworden.«
»Ein aufopferungsvoller Mann«, lacht Otto gehässig und öffnet die digitale Krankenakte von Matthias Kluge, »aber er hat Sie angelogen. Der Mann war nach seiner Krankenakte kerngesund.«
Herbert Stengele nickt lächelnd. »Matthias hat es gewusst und ich hätte es mir denken können. Er wollte Verena. Wir waren während unserer Studienzeit ein Paar. Aber Matthias war immer hinter ihr her, und als er sein Examen in der Tasche hatte, heiratete sie ihn. Nur weil ich in ihren Augen nichts auf die Reihe brachte und Matthias eine glänzende Karriere bevorstand.«
»Pfauenverhalten eben«, lacht Otto, »der Pfau mit dem schönsten Rad ist der Gewinner.«
»Aber sie war doch schwanger, von mir!«, protestiert Stengele. »Und ich wusste von nichts«, sagt er zu Markus und strahlt ihn stolz an, als stünde er im Kreißsaal. »Wie ich dich in jungen Jahren so heranwachsen sah, dachte ich manchmal, du hättest Züge von mir.«
»Oh mein Gott, nein!«, stöhnt Markus. »Das darf nicht wahr sein.« Er entfernt sich etwas von der Gruppe, die weiterhin auf den Bildschirm von Ottos Computer starrt, dann dreht er sich weiter ab, geht in dem großen Raum umher und brummelt schließlich: »›Du bist fahrig wie Herbert‹, das sagte mein Vater, also Matthias, manchmal zu mir … Meine Mutter, die bekam dann immer einen Anfall.«
Herbert Stengele will Markus ungelenk in die Arme schließen. »Ich habe dir deine erste Geige geschenkt, weil ich spürte, du hast meine musische Ader. Matthias hat sie dir weggenommen, weißt du das noch?«
»Er wollte, dass ich werde wie er«, nickt Markus, wehrt sich jedoch heftig gegen den Umarmungsversuch von Herbert und beharrt: »Und jetzt bin ich wie er!« Dabei schaut er trotzig zu Iris. »Wir verkaufen die Patente. Wir verkaufen sie, gerade so, wie es mein Vater getan hätte: dem Meistbietenden.« Er lacht verschlagen, genauso wie Matthias Kluge gern zu Lebzeiten lachte, wenn ihm ein besonderer Coup gelang. »Und wir verkaufen sie zweimal: erst den Chinesen und dann den Iranern.«
Herbert Stengele stimmt hysterisch in das Lachen ein und wiederholt stockend: »Wir verkaufen sie zweimal: den Chinesen und den Iranern.«
Björn Otto lässt eine Flasche Rotkäppchen Sekt knallen. Er hat sie aus dem Kühlschrank geholt und lässt sie, wie ein Formel-1-Pilot nach seinem Sieg, überschäumen. »Abgemacht!« ruft er, »gehen wir an die Arbeit, ich rufe Stocks an, die Chinesen wissen Bescheid.«
»Nein, Stocks brauchen wir nicht. Ich rede mit den Iranern, persönlich«, stellt Markus forsch klar, »ich bin ihnen eine Erklärung schuldig. Mein Ansprechpartner in Teheran wartet auf meinen Anruf.« Er greift zu seinem Handy,
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