Bombenbrut
uns den Verkauf verbietet.«
»Das habt ihr dieses Mal nicht zu entscheiden, dieses Mal entscheide ich!«
»Ich habe die Patente, mein Lieber, ich und unsere Firma, und du stehst auf meiner Gehaltsliste. Glaube mir, so ist es das Beste. Schau dir Matthias an, das alles ist eine Nummer zu groß für uns. Mensch, der Matthias, wer soll denn jetzt den Vertrieb übernehmen?«
»Ich verkaufe diese Erfindung allein, gute Nacht!«
Gesprächsende: 20:47 pm.
Vor dem gemütlich wirkenden Sergeant liegen mehrere Stapel Papier auf dem Schreibtisch. Von Augsburg aus kann der amerikanische Nachrichtendienst mit dem weltweit größten elektronischen Überwachungssystem jedes Telefongespräch, jede E-Mail und jedes Fax auf der Welt abfangen und auswerten. Dabei verwendet der US-Geheimdienst das Abhör-und Auswertungssystem Echelon, zu Deutsch: Staffelung. Rund um den Globus sind rund 120 Abhörzentralen aufgebaut.
Johnny Miller weiß, was er zu tun hat. Das Stichwort ›Strahlenwaffe‹ hatte den Alarm ausgelöst, und als dann noch herauskam, wer die beiden Gesprächsteilnehmer waren, beginnt der Apparat des 40.000-Mann-Heeres des Auslandsgeheimdienstes der USA zu arbeiten. Noch in der gleichen Nacht fahren vier NSA-Agenten vom europäischen Hauptquartier Eucom in Stuttgart an den Bodensee.
Herbert Stengele schwankt seit der Nachricht des Mordes an Matthias Kluge zwischen tiefer Trauer um seinen Freund und wilder Entschlossenheit, jetzt erst recht seinen eigenen Weg zu gehen. Sein Misstrauen gegen Matthias ist verflogen. Sein Tod hat ihn erschüttert, in seinen Erinnerungen sieht er sich und Matthias in der unbeschwerten Studentenzeit durch Stuttgarts Bohnenviertel ziehen.
Er steht im Pyjama in seinem großen Wohnzimmer, schaut auf sein Teleskopmodell und friert mitten in der lauen Sommernacht.
»Was Gunther jetzt vor hat?«, fragt er sich, »und Verena?« Er öffnet eine Schreibtischschublade und nimmt ein Bild heraus. Es lag obenauf und zeigt ihn mit Matthias und seiner bildhübschen Verena. Unter dem Gruppenfoto liegt ein zweites Bild, es ist schon ziemlich abgegriffen und auch ein bisschen verblichen. Darauf zu sehen ist nur Verena, strahlend, lachend, eine Hand in ihren gelockten, brünetten Haaren, mit der anderen wirft sie dem Fotografen einen neckischen Handkuss zu und gestattet ihm nebenbei einen tiefen Blick in ihr Dekolleté. Der Fotograf war er selbst.
Herbert hatte die Bilder vor vielen Jahren gemacht, als sie noch gemeinsame Ausflüge unternahmen. Verena, Matthias und er. Doch das ist lange her.
Jetzt sieht Herbert Stengele vor seinen Augen andere Bilder, weitaus ältere. Verena, damals fast noch ein Teenager, als sie alle in Stuttgart wohnten. Damals war sie seine Freundin. Sie war für ihn die schönste Kommilitonin der ganzen Uni gewesen. Sie beide waren ein Traumpaar, bis der Traum platzte und sie plötzlich Matthias bevorzugte. Jetzt ist er tot und sie wieder zu haben.
Bei diesem Gedanken wird es Herbert Stengele wärmer. Er muss sie anrufen, allerdings nicht gleich, nicht heute, er ist, seit die Polizei ihn am Nachmittag aufgesucht und mit Matthias’ Tod konfrontiert hatte, nicht mehr in der Lage, mit irgendjemandem zu sprechen. Das Telefonat eben mit Gunther war ihm bereits zu viel, jetzt ist er total erschöpft.
Aber plötzlich, mit den Erinnerungen an Verena, wird er wieder aufgekratzt und lebenshungrig. Was will Gunther machen? Warum hat er mich angerufen? Was hat er vor? Will er jetzt meine Patente verkaufen?, ängstigt sich Stengele.
Er geht ins Bett, will einschlafen, aber seine Gedanken lassen ihm keine Ruhe.
»Ich habe die Patente!«, dieser letzte Satz von Schwanke hallt ihm nach wie vor in den Ohren. Jedoch hatte er ihm klar und deutlich erwidert: »Ich verkaufe meine Erfindung allein!«
Jawohl, spricht sich Herbert Stengele Mut zu, ich werde mir morgen früh sofort Matthias’ Adressliste in seinem Büro vornehmen und seine Kunden direkt kontaktieren. Ich werde ihnen sagen, dass ich der Erfinder bin, und dass ich zur Zusammenarbeit bereit bin; das wäre ja gelacht.
Beruhigt durch seine Entscheidung steht er nochmals auf, schlurft ins Badezimmer, nimmt zwei Schlaftabletten aus seinem vollgestopften Apothekerschrank und schiebt sie sich in den Mund, mit einem Schluck Wasser spült er sie hinunter.
Trotz der Tabletten schläft Herbert Stengele sehr schlecht. Wirre Träume jagen durch sein Gehirn. Er sieht sich als Gast der NASA, er wird gefeiert und geehrt, gleichzeitig hetzen ihn
Weitere Kostenlose Bücher