Bombenspiel
habe«, bemerkte Mthetwa. Er spuckte diese Worte förmlich aus und sein Gesicht verzerrte sich zur ausdruckslosen, steinernen Fratze. Doch wer den jähzornigen Zulu kannte, wusste, dass er dahinter den Hass verbarg, den er allen Andersfarbigen entgegenbrachte. Mthetwa war ein Einzelgänger, der keine Freunde kannte. Wer eine andere Hautfarbe hatte, war automatisch sein Feind. Es ging ihm gegen den Strich, dass sich in das Netzwerk ›Sub Africa‹ inzwischen Inder, Araber und sogar Weiße eingeschlichen hatten. Mehr als einmal hatte es deswegen Auseinandersetzungen mit Paul Dhlomo gegeben.
Jetzt tippte uThembani Mthetwa den sechsstelligen Code an der Tür des Containers ein. Die Automatik surrte, die Metalltür öffnete sich und die beiden Männer traten ein. Eine Taschenlampe flackerte auf und der Sicherheitsingenieur ließ die Jalousien vollständig herunter, um neugierige Blicke von außen auszuschließen. Dann schaltete er die Schreibtischbeleuchtung ein und startete den PC des deutschen Ingenieurs.
»Wir brauchen seine Daten, darum müssen wir uns hier treffen«, erklärte er Dhlomo weiter.
»Wo bleibt der Inder?«, fragte der zurück.
»Ich habe ihn schon auf dem Monitor gesehen«, beruhigte ihn Mthetwa, »er war noch in seinem Container.«
Die beiden Männer stellten sich so, dass sie gute Sicht auf den Flachbildschirm in der Mitte des Raumes hatten. Soeben erwachte er zum Leben, das Logo des Hamburger Architektenbüros erschien. Ein rhythmisches Klopfen an der Tür ließ ihre Köpfe herumfahren.
»Das ist er, lass ihn herein!«, beschied Mthetwa und Dhlomo öffnete die Tür.
Raghunandan Rajah trug einen Turban und einen weißen Kaftan, der bis auf den Boden reichte. Er musterte Paul, nickte Mthetwa zu, der ihn ignorierte, und übernahm unaufgefordert dessen Platz an der Tastatur des Computers. Rajah kam aus Durban und arbeitete als einer der Software-Administratoren auf der Großbaustelle. Er sorgte unter anderem dafür, dass die Welt draußen über Webcams erfuhr, wie es um den Bau der Stadien in Südafrika bestellt war.
»Sehen wir uns zunächst den heutigen Stand des Baus an«, kommentierte Raghunandan, der von allen nur Raghu genannt wurde, das erste Bild, ein reales Foto der Baustelle, wie sie gerade aussah. »Wir sind gut im Zeitplan und so, wie es aussieht«, er blickte zu Paul Dhlomo, »wird es auch zu keinen Verzögerungen kommen.«
Der Maschinenbauingenieur nickte. Die Bauarbeiten waren den Planungen sogar um einige Wochen voraus, das Material wurde pünktlich geliefert, und es war weder mit weiteren Streiks noch anderen verzögernden Maßnahmen zu rechnen.
»Wir waren bis jetzt in der Phase Five für unseren Plan. Nun zur Zukunft«, sagte Raghu und das Bild veränderte sich zu einer animierten Zeichnung. »So sollte es hier in einem Jahr aussehen. Ihr seht, warum wir uns Durban als Ziel ausgesucht haben: wegen der ausgeklügelten Dachkonstruktion des Stadions. Die Tribünen werden von einer zackenförmigen Dachmembran überspannt, die wiederum mit Stahlseilen an diesem gigantischen Stahlbogen aufgehängt ist. Die ganze Konstruktion lagert auf einem Druckring, der das gesamte Stadion umfasst.« Das Bild drehte sich dreidimensional und gab den Stadionanblick aus der Vogelperspektive frei. »Dieser Stahlbogen, auch Skywalk genannt, weil er begehbar sein wird, überragt das Stadion mit einer Spannweite von 340 Metern von Norden nach Süden. Die Brückenbögen werden über 550 Treppenstufen und eine Seilbahn für die Öffentlichkeit zugänglich sein.«
Aus der Luft betrachtet hatte das Gebilde, das in Längsrichtung über das Spielfeld verlief, eine geometrische Form aus der südafrikanischen Flagge übernommen: ein Ypsilon, das durch seine Zusammenführung der Linien als Symbol für die Vereinigung des schwarzen und weißen Südafrika zu einer Nation galt.
»Der Skywalk besteht aus drei Teilen, einem einteiligen und einem zweiteiligen Arm, die sich in einer Höhe von 100 Metern genau über dem Anstoßpunkt des Fußballfelds treffen. Dort, auf dem Bogenscheitel, wird es eine Aussichtsplattform geben und genau an diesem Punkt werden wir die Phiolen unterbringen. Ich habe ein paar Details in den Plänen manipuliert, damit die Kontrolleure später keinen Verdacht schöpfen. Somit werden die Veränderungen, die wir vornehmen müssen, um die Einlagerung der Phiolen zu tarnen, Bestandteil der offiziellen Pläne sein«, erläuterte Raghu.
»Raffiniert«, meinte Paul Dhlomo.
Der Inder
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