Bombenspiel
Qualifikationsgruppen für die erste Fußballweltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent um 16 Uhr live.
Ihr Freund Henning hatte in derselben Maschine nach Südafrika gesessen, mit der auch Bundestrainer Joachim Löw, Assistenztrainer Hans-Dieter Flick und Teammanager Oliver Bierhoff geflogen waren.
An jenem Wochenende waren mehr als 3.000 Sportfunktionäre und Journalisten zu Gast in der südafrikanischen Metropole, die von den Zulu eThekwini genannt wurde, ›der Ort, an dem Erde und Ozean sich berühren‹. Die Stadt war berühmt für ihre endlosen Strände und das bunte Völkergemisch, ein multikultureller Schmelztiegel all der Kulturen, die von der Geschichte Südafrikas hier zusammengeführt worden waren.
Die wallenden Saris der Inder begegneten am Strand schillernden Zulugewändern und den Trachten der Xhosa; die Nadelstreifenanzüge der Banker, deren schwarze Schuhe von einem mehlfeinen Hauch Pazifiksand eingestaubt waren, trafen auf kurze Hosen und moderne Bademoden der einheimischen Weißen. Eis essende Touristen aus aller Welt saßen in den Cafés neben Einheimischen. Nirgendwo sonst in Südafrika hatte man das Gefühl, dem Slogan ›Die Welt in einem Land‹ näher zu sein.
Mehr als 1.000 zusätzliche Soldaten und Polizisten patrouillierten auf den Straßen und an den Stränden Durbans, diverse Armee- und Polizeihelikopter wurden aufgeboten, um für die Sicherheit der Gäste zu sorgen.
Karin Fleischer machte sich Sorgen. Zu Recht, wie sie Henning gegenüber schon Wochen vor seiner Abreise behauptet hatte, denn sie hatte im Internet die Kriminalitätsstatistiken Südafrikas studiert. Allein für das Vorjahr hatte die Polizei in dem Land über 19.000 Morde registriert – mehr als 52 Morde pro Tag! Die Zahl der schweren Raubüberfälle hatte bei 126.500 gelegen und die angezeigten Vergewaltigungen hatten mit mehr als 50.000 pro Jahr zu Buche geschlagen. An die Dunkelziffer mochte sie gar nicht denken.
Doch Henning war durch nichts davon abzubringen gewesen, den Job in Durban anzutreten. Er hatte es als eine einmalige Chance angesehen, als Bauingenieur bei diesem von einem bedeutenden Hamburger Architekturbüro geplanten Stadionbau in verantwortlicher Position dabei zu sein und wollte die Gelegenheit nutzen, Natur und Landschaft Südafrikas kennenzulernen. Er hatte Karin jedoch versprochen, sie alle zwei bis drei Monate in Deutschland zu besuchen.
Einen Tag nach der Qualifikationsauslosung saß sie wieder in ihrer Wohnung im Stadtzentrum von Stuttgart, diesmal vor dem Bildschirm ihres PCs, und studierte im Internet die Negativmeldungen aus Südafrika: Ein österreichischer Ex-Fußball-Profi war laut Angaben der südafrikanischen Polizei unmittelbar vor der WM-Auslosung auf einem Golfplatz in Durban/Südafrika durch einen Schuss in die Brust getötet worden.
Und weiter hieß es:
Vonseiten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wurde in der ARD betont, dass Südafrika als Gastgeber weiter großes Vertrauen genieße, auch wenn es im Moment schwer falle. Einer der FIFA-Funktionäre wurde mit den Worten zitiert, man könne das Verbrechen nicht in Beziehung zu den Vorbereitungen auf die erste Fußball-WM in Afrika setzen.
Karin schüttelte den Kopf. Hatte sie Henning nicht gewarnt? Als ob sie es geahnt hätte. Ihre Finger huschten unbeirrt über die Tastatur ihres PCs und sie öffnete eine weitere Seite, die sich mit Kriminalität am Rande der WM beschäftigte: Demnach waren Teammanager Oliver Bierhoff und Georg Behlau, Leiter des Büros der Nationalmannschaft beim DFB, in Durban Dieben zum Opfer gefallen. Im Hotel waren ihnen während des Frühstücks, so las sie, die Aktentaschen entwendet worden, in der sich neben persönlichen Dingen auch Unterlagen für die Auslosung der WM-Qualifikationsgruppen befunden hatten.
Trotz dieser Negativmeldungen musste sie schmunzeln, als sie eine Randnotiz über den ›Kaiser‹ las. Franz Beckenbauer hatte auf die Warnung vor erhöhter Kriminalität in Südafrika gelassener als viele andere im DFB-Team reagiert und sich nach Abschluss der WM-Qualifikationsauslosung zu einem demonstrativen Spaziergang entlang der Uferpromenade Durbans entschlossen.
Karin tröstete das wenig. Die junge Frau hatte Angst. Sie ahnte nicht, dass sie ihren Freund über zwei Jahre lang nicht mehr sehen würde.
2008
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Sonntag, 23. März 2008, Moses-Mabhida-Stadion, Durban, Südafrika - Noch 809 Tage
Die drei Männer, die sich
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