Bombenspiel
nach Einbruch der Dämmerung noch auf der Stadionbaustelle aufhielten, kamen aus vier verschiedenen Richtungen zum Treffpunkt, einem der zahlreichen Container, die momentan dort aufgestellt waren, wo sich in knapp zweieinhalb Jahren die weltbesten Fußballmannschaften den Ball abjagen sollten, nämlich auf dem künftigen Spielfeld des Moses-Mabhida-Stadions in Durban.
»Findest du es nicht etwas leichtsinnig, dass wir uns hier treffen?«, fragte Paul Dhlomo und begrüßte den Sicherheitsingenieur mit dem afrikanischen Dreiergriff, bei dem der Händedruck dreimal in unterschiedlicher Position wiederholt wird. »Woher wissen wir, dass nicht plötzlich einer von der Wachmannschaft hier auftaucht?«
Der junge Maschinenbauingenieur, der noch einmal die acht großen Kräne inspiziert hatte, war als Erster vor dem Container mit der Nummer 43 aufgetaucht und hatte fast zehn Minuten allein gewartet. Paul Dhlomo war kein Xhosa, wie sein Name Glauben machte, sondern Shona und stammte aus Zimbabwe. Aber das wusste auf dieser Baustelle niemand . In den Slums von Harare war er im Elend aufgewachsen, umgeben von Gewalt und Brutalität. Die Männer, die seine Mutter besuchten und sie danach wie ein Stück Dreck auf dem beschmutzten, abgewetzten Fell, das als Bettlaken diente, liegen ließen, hasste er, und er bestahl sie, wo er nur konnte.
Was er in ihren Taschen fand, verschwand auf unerklärliche Weise, und wenn sie zurückkamen, weil sie den Verlust bemerkt hatten, beobachtete er aus seinem Versteck heraus, wie sie seine Mutter schlugen und er hasste die Typen noch mehr.
Seine Mutter starb, als er 15 war, seinen Vater hatte er nicht gekannt. Von da an sorgte er allein für sich und seine beiden kleineren Geschwister. Nur der Stärkere bekam etwas zu essen, nur der Schnellere fing die Ratte, für deren Fell und Knochen ihnen der alte Wahrsager, der mit den Toten reden und Kranke heilen konnte, eine Handvoll Maismehl oder Hirse überließ.
Als er 17 Jahre alt geworden war, starb sein kleiner Bruder und der Shona verkaufte seine jüngere Schwester an einen Offizier in der Armee Mugabes, er lebte fortan von Diebstählen, beteiligte sich an Überfällen auf Ausländer und zog mit einer Bande Jugendlicher brandschatzend und gewaltverherrlichend durch die Stadt.
Mit 18 hatte er den ersten Mann erstochen und sich über einen Freund den Weg in die berüchtigte ›Fünfte Brigade‹ erkauft. Seine nordkoreanischen Ausbilder hatten ihm das professionelle Foltern und Töten beigebracht, einer der Offiziere, dem er dafür nachts zu Diensten war, Lesen und Schreiben. An den Massakern des Ndebele-Stammes beteiligte er sich mit großem Vergnügen. Doch Morden und Vergewaltigen waren ihm nicht genug. Der Shona strebte nach Höherem. Sein Hunger nach Wissen ließ ihm keine Ruhe, er wollte eine Ausbildung, ein Studium, die Unabhängigkeit.
Als ihm klar wurde, dass er in seinem Heimatland noch durchschnittlich 13 weitere Jahren zu leben gehabt hätte, desertierte er und setzte sich über Botswana nach Südafrika ab. Als blinder Passagier im Gepäckraum der Cherokee eines Schweizer Safariunternehmers war er von Victoria Falls zunächst nach Maun geflogen und hatte sich dort durch einige Raubüberfälle auf Touristen mit genügend Geld versorgt, um sich dann bis nach Südafrika durchzuschlagen. Nach elf Monaten traf der Shona in Pretoria ein, hatte zwei weitere Menschen getötet, ein halbes Dutzend Frauen vergewaltigt, und sich somit bewiesen, dass er auch ohne fremde Hilfe durchkam. Der ›Speer der Nation‹ bot ihm eine politische Heimat, und die Art zu kämpfen, die er bei der ›Fünften Brigade‹ gelernt hatte, machte ihn rasch zu einem gefürchteten Aktivisten der Untergrundbewegung.
Er erwarb sich die Achtung der Anführer, indem er wie ein Schweißhund Verräter in den eigenen Reihen aufspürte, sie paarweise zusammenschnüren ließ, ihnen alte Autoreifen über Genick und Schulter stülpte, Benzin darüber goss und sie in Brand steckte. Das Necklancing war die gängige Bestrafung für Verräter und Spione in den Reihen des ›Speers der Nation‹, ein qualvoller Tod, bei dem sich das schmelzende Gummi in die verbrannte Haut der Todeskandidaten fraß und ihnen unerträgliche Schmerzen zufügte.
Bald waren die Vergeltungszüge des Shona gefürchtet, Freunde und Feinde nannten ihn Yongama, den, der alles kontrolliert , und wo er auftauchte, gab es kein Erbarmen. Wo er zuschlug, hinterließ er ein Schlachtfeld, er kannte weder Gnade
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