Bonbontag
Schleudern ...
Amir schrie aus vollem Hals.
Das Auto steckte in einer Schneewehe.
Der Aufprall war unangenehm gewesen. Man spürte es im Nacken.
Das Handy war auf den Boden gefallen und lag zwischen den Pedalen. Man hörte Pentti dort unten Hallo rufen.
Paula bückte sich nach dem Telefon.
»Mirja und ich haben gerade einen Unfall gebaut, vielen Dank auch.«
Pentti brüllte noch etwas, dann unterbrach Paula die Verbindung.
»Ist doch gutgegangen ... Sind alle am Leben?«
Amir hielt sich den Ellenbogen, beim Fuchteln war er damit gegen die Fensterscheibe geprallt. Der Junge wiederumsah aus, als würde er jeden Moment ... Und da kämpfte er sich auch schon aus dem Wagen und übergab sich.
Auf einmal fühlte sich Paula vollkommen schlaff.
Amir zwängte sich durch die Tür, um nach seinem Sohn zu schauen.
Paula schloss die Augen. Das hätte es sein können. Ich wäre nie mehr nach Hause gekommen. Ein Gefühl der Erleichterung. Dann Beklemmung.
Mirja allein.
Alle wären bei ihr eingedrungen. Pentti als Erster, mit erhobenem Zeigefinger.
»Verdammte Mörderin«, murmelte Paula vor sich hin.
»Wer war das? Dein Mann?«, fragte Amir und half seinem Jungen wieder auf den Rücksitz.
Paula fuhr zusammen. Nickte.
»Was sagt er?«
»Er hat mir gedroht«, antwortete Paula, die sich sofort in die Geschichte hineinlebte. »Und nicht zum ersten Mal ... Er hat uns so oft geschlagen.«
»Schamlos«, meinte Amir.
Schamlos ... Paula hätte fast laut gelacht, registrierte dann aber Amirs Miene. Der Mann wirkte misstrauisch. Sogleich zauberte Paula einen hitzigen Ausdruck auf ihr Gesicht.
»Entschuldige, wenn ich frage, aber du bist doch Mohammedaner ... entschuldige, wenn ich das jetzt irgendwie nicht korrekt sage, aber ... ich weiß nicht, was eure Religion dazu meint, ob es okay ist, wenn man seine Frau mit der Faust züchtigt, unsere Religion jedenfalls ...«
»Frau darf Mann nicht schlagen«, unterbrach sie Amir.
»Du meinst sicher, man darf eine Frau nicht schlagen«, sagte Paula.
»Mann darf die Frau nicht schlagen«, korrigierte Amir.»Wer stärker darf Schwächere nicht schlagen. Nie ...«
»Genau. Aber ...«, fing Paula an, beließ es jedoch dabei. Wer ist denn eigentlich schwächer? Auch Amir sprach nicht weiter, er wirkte nachdenklich.
Paula blickte in den Spiegel. Der Junge war wieder in seiner eigenen Welt versunken, kreidebleich. Mit zerknautschtem Gesicht.
Plötzlich musste sie lachen. Es half nicht, die Zähne zusammenzubeißen, es blieb nicht drinnen, die Tore gingen auf, und Paulas Gelächter erfüllte das Wageninnere. Sie musste aufhören, sich anstrengen, aber das war schwer.
Ich lache zu viel, rügte sie sich. So lustig ist das alles nun auch wieder nicht. Und die Glaubwürdigkeit leidet.
»Entschuldigung ...«, sagte sie, noch immer nicht ganz ernst. »Das ist der Schock, der sich entlädt ...«
Schließlich kniff sie die Augen fest zu. Sicher hielten die beiden sie für verrückt. Das muss jetzt aufhören, alle Possenreißer raus aus dem Wagen.
Paula atmete tief durch.
»So Jungs, jetzt müssen wir das Auto wieder auf die Straße kriegen«, sagte sie mit geschlossenen Augen. Gleichzeitig legte sie die Hand auf den Türgriff.
Sie war als Erste draußen, Amir folgte, der Junge stieg schwankend als Letzter aus. Sofort biss die Kälte in Ohren und Hände, setzte dem Gelächter wirksam ein Ende. Die Kühlerhaube steckte in einer niedrigen Wehe aus frischem Schnee. Paula zeigte, wo man schieben musste, und setzte sich ans Steuer, um den Motor anzulassen. Amir und Kasim schoben, die Räder drehten durch, griffen nach einer Weile aber auf dem Asphalt, und das Auto schob sich rückwärts aus der Schneewehe.
Paula öffnete das Fenster.
»Und jetzt einsteigen«, rief sie.
Der Junge sagte etwas zu seinem Vater.
»Ist ganz nah ... wir gehen ... Danke«, sagte Amir.
Paula stellte den Motor ab. Was sollte das? Sie hatten es noch wer weiß wie weit. Sie stieg aus. Packte den Jungen am Arm.
»Nur Mut, das Taxi bringt euch vor die Haustür.«
Der Junge sträubte sich, Paula packte fester zu.
»Au!«, rief der Junge. »Blöde Kuh! Verdammte Irre!«
»Kasim!«, fuhr sein Vater ihn an.
»Du willst nicht hören?«, fragte Paula und drückte noch fester.
»Au ...«
»Du lass den Jungen«, rief Amir und packte Paulas Hand.
Paula riss sich los.
»Raus!«, rief Paula.
Vater und Sohn schauten sie sonderbar an, ängstlich. Sie sahen ulkig aus, die dunklen Gesichter zwischen den
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