Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bonbontag

Bonbontag

Titel: Bonbontag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Nummi
Vom Netzwerk:
ein Wort nach dem anderen in die Tiefen des Kinderbewusstseins eindringen.
    »Dein Papa heult hier rum ... In dir steckt mehr Mann als in mir, mein Junge ... Aber die Oma tut mir halt so leid ... Pass auf, Tomi, ich kann so nicht zu ihr gehen. Die Oma erschrickt dann bloß unnötig. Wär’s dir recht, wenn du mit Ari gehst?«
    Tomi zuckte mit den Schultern, wusste nicht so recht, was er tun oder lassen sollte.
    »Na gut«, hörte man es matt.
    »Ich warte hier ...«
    Tomi sah seinen Vater an.
    »Wir müssen Mirabella helfen gehen.«
    »Deinem Schätzchen?«
    »Sie ist meine Freundin!«
    »Na klar.«
    Tomi schluchzte.
    »Nicht doch ... Mensch, Kerl!«
    Tomi sprang seinem Vater an den Hals.
    »Ich will nicht, dass jemand ... niemand darf dich schlagen.«
    Jaska drückte Tomi fest an sich.
    »He, Junge ... es ist alles okay.«
    Tomi ließ seinen Vater los. Er wischte sich die Augen und verließ schnell die Cafeteria, ohne sich noch einmal umzusehen. Als hätte er Erfahrung damit. Wie einer, der weiß, wie man sich verabschiedet, wenn es sein muss.
    Jaska sah Ari an und nickte. Ari gab mit einer Geste zu verstehen, dass er mit Tomi ginge und dass sie bald wieder da wären. Jaska reagierte nicht mehr, er starrte nur mit glasigen Augen in die Richtung, in die der Junge verschwunden war.
17
    Sprich mit dem Kind.
    Schau ihm in die Augen. Nicht so, als würdest du versuchen, in seinen Kopf hineinzuschauen. Als würdest du versuchen, ein Loch in den Kinderschädel zu bohren. Schau es an, als wäre es dein eigenes Kind.
    Sprich mit ihm. Hör ihm zu.
    Gib dem Kind die Möglichkeit, deine Neugier zu wecken.
    Der Eiffelturm besteht aus Stahl und Schrauben, da gibt es nichts zu staunen.
    Aber das Kind, das du anschaust, das du versuchst anzuschauen, dieses Kind lebt. Schau es an.
    Staune über das Kind.
     
    Katri betrachtete ihre Töchter, die auf der Rückbank im Auto ihrer Schwiegereltern saßen, zufrieden, voller Leben, voller Erwartung. Katri sah sie an und dachte an andere Kinder, andere Blicke.
    Das Auto fuhr los, ein Winken, kurze Wehmut.
    Dann professionelles Schuldgefühl.
    Der Mann und der Junge. Nicht Vater und Sohn. Der Schriftsteller Ari Anttila hatte keinen Sohn, sondern eine Tochter. Wer also war dieser Junge? Der unsichtbare Junge der vorigen Nacht? Er hatte ihr am Rand der Eisbahn einen seltsamen Blick zugeworfen. Was hatte der Blick gesagt? War es ein Hilferuf gewesen?
    Red keinen Unsinn. Würde ein Kindesmissbraucher einen Jungen mit auf die Eisbahn nehmen? Nein. Warum nicht?
    Warum hatte sie nicht kehrtgemacht, war zu dem Mann gegangen und hatte die Angelegenheit geklärt?
    Warum hätte sie das tun sollen? Sie hatte frei gehabt. Sie hatte ihre Kinder nicht in eine möglicherweise unübersichtliche oder gar gefährliche Situation verwickeln wollen.
    Diese Erklärung taugte nichts, sie war unzufrieden mit sich. Der Junge hatte etwas sehr Außergewöhnliches an sich gehabt. Dieser Blick.
    Sie hätte stehen bleiben können. Kehrtmachen. Dem Schriftsteller Anttila Hallo sagen. Sich dem Jungen zuwenden können.
    Hallo, ich bin die Katri, und wer bist du?
    Ist alles in Ordnung?
    Wenn nicht alles in Ordnung ist, kannst du es mir ruhig sagen. Ich behalte es für mich, versprochen.
    Sie hätte mit dem Jungen reden können. Ihm in die Augen schauen können. Zuhören.
    Handelt so, wie ich es lehre, nicht so, wie ich es tue.
    Wie hält man diese Arbeit aus? Indem man handelt.
    Katri nahm ihre Handtasche und machte sich auf den Weg.
18
    Er übernahm das Fragen und Erklären, sagte, er begleite den Jungen nur.
    »Entschuldigung, wer sind Sie?«, fragte die Krankenschwester im Stationszimmer.
    Ari nannte seinen Namen, zögerte dann.
    »Von diesem Tomi hier ... dem Enkel der Patientin ...«
    »Mein Patenonkel«, sagte Tomi.
    Ari wollte etwas hinzufügen, aber ihm fiel nichts ein. Hätte er die Angabe korrigieren müssen? Es bestand keinGrund, das Ganze komplizierter zu machen, als es ohnehin schon war.
    Sie erfuhren die Zimmernummer.
    Ari ging verlegen zwei Meter hinter Tomi her. Ein langer, weißer Gang, die kleinen Schritte vor ihm tappten in immer dichter werdender Folge auf den Fußboden, er musste sich beeilen, damit der Abstand nicht wuchs.
    Sie erreichten die richtige Tür, Tomi zog mit beiden Händen an der großen Klinke, Ari wollte ihm gerade zu Hilfe kommen, da sprang die Automatik an, und die Tür öffnete sich unerbittlich langsam.
    Vier Betten, mit leichten Stellwänden voneinander abgetrennt. Tomi ging zum

Weitere Kostenlose Bücher