Bonbontag
letzten Bett, das am Fenster stand.
Als er stehen blieb, stieß Ari beinahe von hinten gegen ihn. Abrupt hatte er neben der Trennwand Halt gemacht.
Tomi wollte zu seiner Großmutter laufen, sich direkt in ihre Arme stürzen, aber der Anblick stoppte ihn. Ari hatte ihn zu warnen versucht, die Oma sei operiert worden und eventuell in schlechter Verfassung.
Tatsächlich war sie von Geräten, Kabeln und Schläuchen umgeben, ihr Gesicht war aufgedunsen, der Kopf verbunden. Sie hatte die Augen offen, doch ihr Blick richtete sich auf nichts Bestimmtes.
Tomi wich einen halben Schritt zurück und stieß gegen Ari, der ihm gut zuredete und ihn etwas weiter nach vorne schob.
»Lass uns ein bisschen näher herangehen ...«, ermutigte er den Jungen.
Tomi trat ans Bett. Er sah seine Großmutter an, drehte sich dann zu Ari um, drückte fast den Kopf an ihn, ließ es im letzten Augenblick bleiben. Man hörte nur den Hauch eines unterdrückten Schluchzens.
»Guten Tag«, sagte Ari versuchshalber.
Etwas regte sich auf dem Gesicht der Frau. Der Kopf blieb starr, aber es kam Leben in die Augen, sie suchten nach einem Objekt. Ari ging näher heran, zog Tomi mit.
»Ah«, machte die Frau. Es war der Versuch, etwas zu sagen.
Tomi drehte sich vorsichtig um.
»Hallo«, sagte er.
Die Augen der Großmutter bewegten sich, fanden den Jungen. Ein Zucken im Mundwinkel, der Versuch zu lächeln.
»Ich hab dir was mitgebracht«, sagte Tomi.
Er brachte die Tüte mit den Süßigkeiten zum Vorschein.
»Eigentlich hatte ich dir Fuchsbonbons gekauft ...«, erklärte er, ging ums Bett herum und legte den Schokohagel auf den Nachttisch. »Aber da warn solche Arsch ... Angeber, die haben sie gegessen ... Und unten hatten sie keine ... Darum hab ich jetzt bloß die hier ...«
Die Großmutter versuchte Tomi mit dem Blick zu erreichen. Tomi merkte es, kehrte an seinen alten Platz zurück.
»Hoffentlich ist das okay ...«
»Ah«, sagte die Großmutter.
Ari stellte sich vor.
»Das ist mein Patenonkel«, sagte Tomi umstandslos. Allmählich gewöhnte sich Ari an die Bezeichnung. Aber Tomis Oma irritierte sie womöglich, denn ihr Blick irrte umher.
»Sprich nur mit ihr«, sagte Ari ermutigend. »Deine Oma hört dich ... Sie kann bloß nicht reden.«
»Was soll ich denn sagen?«, fragte Tomi.
»Irgendwas.«
Tomi überlegte. Dann ging er näher ans Bett heran.
»Papa ... war da ...« Tomi wurde verlegen, er wurde rot, begriff, dass er darüber vielleicht doch nicht reden sollte. »Aber er konnte nicht hochkommen, weil ...«
»Ah«, sagte die Oma. Verständnisvoll, interpretierte Ari.
Tomi überlegte erneut.
»Ich hab versucht, zu Mirabella zu gehen ...«
Die Großmutter blinzelte.
»Aber die alte ... ihre Mutter ... hat mich nicht gelassen.«
»Ah ... ah.«
Nur die Augen bewegten sich, der Blick rollte von rechts nach links.
»Ich hab dann angerufen ... weil da die Nummer war ... bei den Sozialtussis.«
»Ah ... ah.«
»Aber die sind nicht gekommen.«
Die Augen der Großmutter erstarrten kurz, dann ging das Blinzeln weiter.
»Ich ... Wir gehen jetzt hin ....«
»Ah ...«
Tomi beobachtete das Gesicht seiner Großmutter, die lebhafte Bewegung der Augen. Dann schienen die Augen müde zu werden. Die Lider fielen zu.
Tomi sah Ari an. Zuckte fragend mit den Schultern. Was jetzt, was als Nächstes? Was sollen wir tun?
Die Augen der Großmutter waren wieder einen Spaltbreit offen, aber der Blick auf der Stelle erstarrt.
»Mir fällt nichts mehr ein, was ich sagen könnte«, sagte Tomi.
»Musst du auch nicht«, meinte Ari.
Sie schwiegen. Hinter den Trennwänden hörte man keine Geräusche, es war sonst niemand im Krankenzimmer. Nur das Atmen der Großmutter hörte man. Schwer, regelmäßig.
»Sollen wir gehen?«, fragte Ari nach einer Weile.
»Gleich«, antwortete Tomi.
»Dein Vater wartet«, fügte Ari hinzu.
Viele schwere, gleichmäßige Atemzüge der alten Frau vergingen, bevor Tomi etwas erwiderte.
»Papa ist bestimmt nicht mehr da.«
Langsam aber sicher drang diese Information in Aris Bewusstsein. Nein? Natürlich nicht. Wie hatte er nur so gutgläubig sein können?
Draußen dämmerte es. Große Schneeflocken schwebten auf das Fenster zu und wieder davon.
Tomi stand auf, und Ari nahm auf seinem Stuhl aufrechte Haltung an. Ratlos stand der Junge neben dem Bett.
Ari wartete. Dann ahnte er etwas. Es war immer die Oma gewesen, die ihre Hand ausgestreckt, die Arme ausgebreitet hatte.
Ari beugte sich vor, legte die Hand auf
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