Bondage (German Edition)
Dunkelheit über mich.
Kapitel Zwölf
Shahin
Als wir von der Maschine in Richtung der Bretterbude laufen, die am Rand des Rollfelds errichtet worden ist, spüre ich die magische Ausstrahlung der Wüste das erste Mal seit langer Zeit wieder zu richtig. Sie scheint mich zu begrüßen, und das leise Pfeifen des Windes scheint mir ein „Willkommen, mein Sohn“ zu flüstern, oder etwas Ähnliches. Kaum stehe ich am Rand des geteerten Rollfelds, bücke ich mich und lasse etwas Sand durch meine Hände rinnen.
„Willkommen auch du, Mutter“, raune ich die rituellen Worte, und verlasse mich ganz auf meinen Instinkt. Es dauert nicht lange, da bekomme ich Fetzen der Erinnerung, Stimmen und plötzlich ein Bild: Brix, an einen Pfosten gefesselt, in einem unterirdischen Raum. Und die Richtung, in der er sich befindet, sowie die Information oder meinetwegen das Gefühl, dass es ihm gut geht ... noch.
„Ich weiß, wo er ist“, sage ich unvermittelt, während Nora und Sven gerade über die raue Schönheit der Wüste diskutieren. Sechs Augen schauen mich verwundert an.
Lars fasst sich als Erster. „Und woher?“
„Frag mich nicht“, antworte ich ihm. „Ich weiß es einfach. Wir müssen dorthin“, deute ich mit der Hand in die Richtung, aus der das Gefühl kam.
„Stimmt“, sagt Nora und ist verblüfft. Sie hat ihre Karten in der Hand und studiert diese ausgiebig. „Naja, kann Zufall sein“, fährt sie fort. „Wir müssen uns nun Reittiere besorgen, damit wir durch die Wüste kommen. Kommt mit“, fordert sie uns auf, „ich habe dort hinten ein Schild gesehen, vielleicht kann man dort Kamele kaufen oder leihen.“
Natürlich kommen wir mit, schon um zu sehen, wie Nora, die sich wie die Chefin unserer Expedition aufführt, versucht, Kamele auszuleihen. Schließlich sind wir in der Wüste, und niemand verleiht hier Kamele oder sonstige Reittiere, zumal die Wahrscheinlichkeit, dass er die Kamele gesund und innerhalb des vereinbarten Zeitrahmens zurückbekommt, verschwindend gering ist. Und wir auf einen Führer oder Begleiter, den uns der Kamelverleih stellen würde, gerne verzichten wollen.
Nach ein paar Minuten Fußmarsch gelingt es Nora tatsächlich, einen Viehhändler aufzutreiben, dessen Koppel an den kleinen Flugplatz angrenzt, und dort einen jüngeren Mann, schätzungsweise zwanzig Jahre alt, davon zu überzeugen, dass wir Kamele brauchen.
Ich gehe davon aus, dass dieser junge Mann von dem Besitzer der Kamele zu den Verhandlungen mit den eher spärlich hier anzutreffenden Touristen eingesetzt wird, vermutlich, weil er Englisch kann. Ich denke jedoch, dass dieser junge Mann nicht das notwendige Verhandlungsgeschick und die dafür notwendigen Kompetenzen besitzt, um uns die benötigten sechs Kamele – vier zum Reiten und zwei zum Tragen, eins davon gegebenenfalls für Brix – mehr als tatsächlich nur auszuleihen – und all das zu einem realistischen Preis. Für eine vernünftige Verhandlung muss ich also den Besitzer des Ganzen auftreiben und mit dem reden ... und der wird vermutlich kein Englisch können.
Während Nora und Sven mit dem jungen Ägypter Tee trinken und Shisha – Wasserpfeife – rauchen, um in die zweite Stufe der Verhandlungen um den Preis der Kamele einzutreten, mache ich mich mit Lars auf die Suche nach dem Händler.
Es dauert nicht lange, und schon habe ich einen alten Mann inmitten der Kamele gefunden, der sich jedes Tier genau anschaut und auf Details wie Hufe, Gebiss et cetera achtet. Keine zehn Minuten später habe ich mit dem Alten sechs Kamele ausgesucht und in einem kurzen knappen Verkaufsgespräch einen anständigen Preis ausgehandelt. Ich zahle, und der Alte verspricht, uns die Kamele zur sofortigen Abreise bereit machen zu lassen. Dann kehren Lars und ich scheinheilig in das Zelt zurück, in dem Nora und Sven immer noch mit dem Jungen verhandeln.
„Seid ihr schon fertig?“, frage ich Nora beiläufig auf Englisch.
„Wir sind noch am Besprechen, wie lange wir die Kamele nun bekommen. Die maximal drei Tage, die uns unser junger Freund hier die Tiere leihen möchte, genügen uns nicht, denke ich“, antwortet Nora, aus Höflichkeit ebenfalls auf Englisch. Ich grinse leicht.
„Dann beendet doch eure Verhandlungen am besten“, schlage ich vor und weide mich an den erstaunten Gesichtern vor mir. „Abu Asra lässt uns gerade die sechs Kamele fertig machen, die ich gekauft habe“, erkläre ich, und der junge Araber ist der Erste, der versteht, welche Rolle ich
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