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Bone 02 - Das Ende des Himmels

Bone 02 - Das Ende des Himmels

Titel: Bone 02 - Das Ende des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O´Guilín
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mit ihm sprechen, aber er hatte viel zu große Schmerzen, um sich dadurch verängstigen zu lassen. Eiskalte Luft biss in die nackte Haut seines Gesichts, und bei jedem Schritt des Jägers fühlte es sich an, als würden ihm Stacheln in den Arm getrieben.
    Hiresh hatte etwas Wichtiges zu sagen. Aber was? Was nur? Er verlor wieder das Bewusstsein.
    Als er das nächste Mal aufwachte, sah er eine Tür. Die alte Frau – ihr Name war Jaga-irgendwas … Jagadamba – drückte ihre linke Hand dagegen. Offenbar hatte sie genauso wie er ein Implantat, denn auf ihre Berührung hin öffnete sich die Tür. Dahinter erhaschte Hiresh einen Blick in das Obergeschoss – es musste das Obergeschoss sein, weil es hier so kalt war.
    Zuerst bemerkte er überhaupt keinen Unterschied zu den unteren Ebenen, auf denen jetzt alle lebten. Hier gab es zweifellos Bezirke, die in Sektoren unterteilt waren – mit Freizeitangeboten, Parks und Wasserflächen. Und Wohnbereiche mit großen Plätzen und architektonischen Wundern. Es hieß, dass es hier irgendwo sogar einen arktischen Park gab …
    Doch vom Rücken des Jägers aus konnte er nicht mehr als einen kurzen Korridor erkennen, in dem lediglich die Nachtbeleuchtung brannte. Als sich seine Augen daran gewöhnt hatten, wurde er auf andere Dinge aufmerksam: seltsame Formen am Boden, die Wände völlig ohne Medien. Hiresh konnte sein heftiges Zittern nicht unterdrücken, obwohl die beständige Bewegung ihm weitere Schmerzen bereitete. Hier war es jetzt überall wie in der Arktis.
    Jagadamba brummte zufrieden. Sie winkte Stolperzunge mit der linken Hand zu, kaute schmatzend und leckte sich die Lippen. Dann gackerte sie über ihren eigenen Witz, bevor sie die Gruppe in den Korridor führte.
    Hiresh konnte die seltsamen Formen jetzt besser erkennen. Es waren Leichen, menschliche Leichen, die sich nahe am Ausgang drängten. Sie mussten hier seit Jahren liegen, von der Kälte konserviert, in endlosem Schrecken erstarrt. Warum ihnen die Flucht nicht gelungen war, konnte er nicht sagen. Fast alle waren Religiöse. Sie lagen übereinander und ineinander verknäuelt, und ihre Verbitterung war vergessen. Vater wäre bei diesem Anblick wütend geworden und hätte behauptet, die Kommission hätte sie hier absichtlich eingesperrt, um sie dem sicheren Tod zu überlassen.
    »Die weltlichen Flüchtlinge haben den ganzen freien Wohnraum bekommen. Den ganzen!«
    »Das ist eine Lüge!«, hatte Hiresh erwidert. »So etwas würde die Kommission niemals tun!«
    »Das ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt!«
    Die alte Frau bedeutete Stolperzunge, dass er weitergehen s ollte. Er zögerte und sagte einen Satz, in dem auch Hireshs Name vorkam. Dabei wurde dem Jungen etwas wärmer ums Herz. Stolperzunge hatte ihm das Leben gerettet – er hatte es mit einem Alien aufgenommen, das selbst ihm buchstäblich haushoch überlegen war. Er hatte seine einzige Chance aufs Spiel gesetzt, seine Frau wiederzusehen.
    Für mich. Für seinen Freund.
    Der Junge spürte, wie ihm Tränen übers Gesicht liefen, aber er wusste, dass Stolperzunge ihn dafür nicht verspotten würde. Die Wilden lebten in einer grausamen Welt und weinten oft. Zweifellos würde auch der Jäger weinen, falls er seine Frau endgültig verlieren sollte …
    »Lass mich runter!«, rief Hiresh und erschreckte damit die anderen beiden. »Ihr müsst euch von mir fernhalten! Lass mich runter! Lass mich runter!«
    Ohne das Dach verstanden seine Begleiter kein Wort. Sie bedeuteten ihm, still zu sein, und Jagadamba warf ihm einen verärgerten Blick zu. Sie ignorierten seine Proteste und machten sich auf den Weg durch den Korridor. Nachdem sie ein paar hundert Meter weit an gefrorenen Leichen vorbeigegangen waren, hörte die Notbeleuchtung abrupt auf. Dahinter wehte ein noch kälterer Lufthauch von einem großen offenen Raum herein, vielleicht ein Platz oder ein Shuttle-Bahnhof. Jagadamba zog eine Taschenlampe unter ihrem Gewand hervor. Sie erhellte nur einen kleinen Bereich, aber die alte Frau führte sie mutig weiter. Außerdem gab die Lampe ein wenig Wärme ab.
    »Ich muss weg von hier«, murmelte Hiresh. Das primitive Implantat in seinem Arm – das Beste, was moderne Menschen ohne Hilfe des unpolitischen Daches herstellen konnten – würde die Wärter direkt zu ihnen führen. Es war einfach genug konstruiert, um auch hier im Obergeschoss zu funktionieren. Er würde Stolperzunge verraten und jemanden in Lebensgefahr bringen, der sich für einen Fremden

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