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Bone 02 - Das Ende des Himmels

Bone 02 - Das Ende des Himmels

Titel: Bone 02 - Das Ende des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O´Guilín
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hatte stets danach gestrebt, hatte dafür gekämpft, während Vater sie ihm vorenthalten und sein Essen gestohlen hatte. Aber es war falsch gewesen, sich so zwanghaft damit zu beschäftigen. » Dies ist Stärke«, sagte er zu seinem alten Ich.
    Sein Fuß stieß gegen etwas, und er fiel zu Boden. Er drehte sich in der Luft, um seinen Arm zu schützen. Dann wurde ihm die Luft aus den Lungen getrieben. Er musste sich mächtig zusammenreißen, um nicht zu schreien. Er war auf einer Leiche gelandet. Gefroren, geruchlos, leblos. Steinhart, aber gleichzeitig irgendwie klebrig.
    Er bemühte sich, nicht zu würgen, doch als er sich hochstemmte, drückten die Finger seiner gesunden Hand in etwas, das einst der Augapfel von jemandem gewesen war. Er musste sich übergeben.
    »Kehr um!«, sagte der alte Hiresh. »Es ist noch nicht zu spät. Geh zurück!«
    »Nein, nein …« Er hatte vorgetäuscht, ein Fan von Stolperzunge zu sein, ein Freund.
    Er nahm den ersten Korridor, auf den er stieß, bog in einen Nebengang und wechselte immer wieder die Richtung. Er würde sich so gründlich verirren, dass er nicht mehr in der Lage wäre, es sich anders zu überlegen, wenn er von der unvermeidlichen Furcht überwältigt wurde. Stärke – dies war Stärke. Nicht irgendeine konstante unveräußerliche Eigenschaft, die jemand sein ganzes Leben lang besaß. Man musste darum kämpfen, jeden Tag, jede Minute. Jetzt kämpfte Hiresh und stand kurz davor zu verlieren. Aber das spielte keine Rolle mehr. Er würde tief in die Dunkelheit vorstoßen, durch kleine und große Korridore. Wenn er schließlich den Mut verlor, wäre er schon über eine Stunde lang gelaufen und hätte sich unwiderruflich verirrt. Selbst wenn die anderen nach ihm suchten, hatten sie nicht die geringste Chance, ihn jemals wiederzufinden.
    Die Luftströmungen und das hallende Echo tropfender Flüssigkeit verrieten ihm, dass er sich in einem weiteren offenen Bereich befand, ähnlich wie der, in dem er die anderen verlassen hatte. Sein Herz pochte rasend schnell, und mit jedem Pulsschlag schossen Schmerzen durch seinen Arm. Er fühlte sich schwach und fiebrig und hatte Angst. Am liebsten wäre er sofort zurückgekehrt. Er drehte sich um und blickte in die Richtung, aus der er gekommen war. Nur Dunkelheit breitete sich dort aus.
    Er war stark gewesen. Nur ein einziges Mal in seinem Leben. Und jetzt war es vorbei.
    Hiresh weinte wieder. Er lehnte sich gegen eine Wand und starrte in die Dunkelheit, die früher ein öffentlicher Platz oder ein Park gewesen sein musste. Seine Schluchzer kamen laut und schnell.
    Die Kommission hatte versprochen, dass sich die Krise dem Ende zuneigte. Hiresh hätte dann miterleben können, wie die Zeiten des Überflusses zurückkehrten. Dann hätte er jeden Tag genug zu essen, er hätte an sportlichen Wettkämpfen und anderen Vergnügungen teilgenommen, die jetzt nur noch Erinnerungen waren, während Fanatiker wie sein Vater in der Bedeutungslosigkeit versanken. Es würde wieder Nahrung, Kosmetik und Medizin geben. Er würde sich in Tarini verlieben. Warum nicht? Sie hatten immer sehr viel Spaß miteinander gehabt. Er wünschte, er könnte sich dafür entschuldigen, dass er die Akademie nicht verlassen hatte, wie sie vorgeschlagen hatte, dass er zu stolz dafür gewesen war. Wenn sie doch nur hier wäre, um seine Hand zu halten. Die Angst fraß ihn auf.
    Die ganze Zeit rannen seine Tränen. Nach einer Weile kam es Hiresh vor, als würden sie schimmern und funkeln. Verwirrt wischte er sich übers Gesicht. Seine Augen spielten ihm einen Streich. In der Ferne schien etwas … zu leuchten.
    Vor Schreck fiel ihm der Unterkiefer herunter. War er den weiten Weg nur gelaufen, um im Kreis zu Jagadambas Lampe zurückzukehren? Aber nein. Die Gruppe hatte in einer Nische ihr Lager aufgeschlagen. Dieses schwache Licht schien sich nicht auf Bodenhöhe zu befinden.
    Hiresh ging darauf zu. Die Muskeln in seinen Beinen zitterten vor Erschöpfung und Kälte. Einige Leichen – hier gab es viel weniger als in dem Bereich, den er verlassen hatte – zwangen ihn, ein paarmal den Kurs zu ändern. Er spürte totes Gras unter den Füßen, und wenn er versehentlich in eine Schleimpfütze trat, juckte und brannte anschließend seine Haut. Doch er blieb nicht stehen. Er näherte sich einem außergewöhnlichen Anblick.
    Das Licht befand sich auf der Kuppe eines künstlichen Hügels des Parks. Soweit er wusste, verbargen sich darin zumeist Maschinen, an deren Funktion er sich nicht

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