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Bone 02 - Das Ende des Himmels

Bone 02 - Das Ende des Himmels

Titel: Bone 02 - Das Ende des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O´Guilín
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Baby, wiegte es behutsam, bis es still wurde. Dann brachte sie es zu ihm.
    »Das ist …« Sie schluckte. »Flammenhaar.«
    Stolperzunges erster Gedanke war, dass dieses Baby (dessen Haar fast so dunkel wie das von Indrani war) noch viel zu jung war, um einen Namen haben zu können. Darüber entschied der Stamm und nicht die Eltern. Dann wurde ihm schlagartig die Bedeutung des Namens klar, sodass er erschrocken keuchte. Auch seine Mutter hatte diesen Namen getragen. Indrani hatte einen Namen aus seiner Familie ausgesucht.
    Er streckte eine zitternde Hand nach dem kleinen Mädchen aus. »Ich habe … ich habe eine Tochter?« Alle Anzeichen waren vorhanden gewesen, als Indrani zum Dach zurückgekehrt war. Wie hatte er übersehen können, dass seine Frau schwanger war? Hatte sie zuletzt einen dickeren Bauch gehabt? Er wusste nicht einmal, ab wann es sich »zeigte«, wie es die Frauen nannten. Andererseits … Es dauerte auf jeden Fall länger als die kurze Zeit, die sie zusammen verbracht hatten, bis ein Baby auf die Welt kam.
    Indrani blickte auf den Boden und nicht auf ihn. Sie machte keine Anstalten, seine Frage zu beantworten.
    »Was ist los?«, wollte er wissen. Dann wurde ihm alles klar. Eine kalte Hand packte seinen Magen und drückte ihn zusammen. »Bei den Vorfahren!«, keuchte er. »Nein … bitte nicht! Indrani, sag mir, dass es nicht wahr ist! Indrani …?«
    Bevor er sie vor seinem Bruder gerettet hatte, wäre es ihr einmal fast gelungen, Selbstmord zu begehen. Sie hatte ihm nie den Grund erklärt, aber es hatte von Anfang an danach ausgesehen, dass sein Bruder sie mit Gewalt genommen hatte.
    Er versuchte sich zurückzuziehen, aber Indrani hielt ihn fest, und im Licht des Sprechers sah er ihr grimmiges Gesicht. »Ja«, sagte sie. »Ja, dieses wunderschöne kleine Mädchen hat deinen monströsen Bruder zum Vater.«
    »Ich kann nicht … ich muss …«
    »Aber es ist weder ihre noch meine Schuld, verstehst du? Hast du mich verstanden, Stolperzunge?«
    Es war zu viel. Und es kam zu plötzlich. Natürlich stimmte es, was Indrani sagte. Sie hasste Wandbrecher noch viel mehr als er. Aber Stolperzunge war wie ein Topf, der zu dicht über dem Feuer hing und vor Hass, Wut, Sehnsucht und vielen anderen Empfindungen überkochte.
    Das Baby weinte wieder, und irgendwann musste Indrani ihn loslassen, um es beruhigen zu können. Für einen kurzen Moment hasste er es … sie. Auch Indrani. Es war falsch – die Vorfahren wussten, wie falsch es war. Er atmete schwer, er zitterte, und seine Fingernägel gruben sich in die Handfläche. Vor seinem geistigen Auge sah er ein Bild seiner Mutter, die dieses Baby mit bedingungsloser Liebe betrachtete. Er hörte sogar, wie sie die traditionellen Worte sprach: »Der Stamm besteht weiter! Möge sie uns auf der Großen Heimkehr begleiten!« Er blinzelte seine Tränen weg und wünschte sich nun mehr als alles andere, zur Oberfläche zurückzukehren. Aber ihm war bereits klar, was die Vorfahren ihm zu erklären versuchten: Dieses Baby war das Enkelkind seiner Mutter. Es gehörte zum Stamm. Er würde es annehmen und ernähren. Er würde sich um die Namenszeremonie kümmern und vielleicht sogar noch erleben, wie es mit einem Ehemann über das Feuer sprang.
    Aber er konnte es nicht lieben. Es war ein Kind von Wandbrecher, seinem Erzfeind. Er konnte es einfach nicht.
    Er spürte auf der Haut, dass Indrani seinen Rücken anstarrte. Als sie sprach, war es, als hätte sie seine Gedanken gelesen.
    »Du wirst es irgendwann akzeptieren können, armer Stolperzunge. Und wie ich dich kenne, wird es gar nicht lange dauern. Komm … komm zu mir.« Doch es war Indrani, die zu ihm kam und ihren freien Arm um seine Schultern legte.
    »So viel Zeit ist vergangen, lieber Stolperzunge, so viele Monate, und das Einzige, das ich mir gewünscht habe, war, dich an meiner Seite zu haben. Ich habe immer wieder von dir geträumt – von deinem Gesicht, als ich dich verlassen habe. Die Götter wissen, dass ich die Wahrheit sage: Es hat mir das Herz zerrissen. Aber jetzt sind wir zusammen, und wir werden gemeinsam als Familie fortgehen. Wir müssen gehen. Ich werde keine Antworten finden, wenn ich keinen Kontakt mit dem Dach aufnehmen kann.«
    Er schloss die Augen und spürte die Wärme ihres Körpers, bis der Schlaf kam und ihn davontrug.

11
    Das Monster
    Eine Hand rüttelte ihn aus einem vagen Traum voller spöttischem Gelächter. Als er die Augen öffnete, blickte er in Indranis Gesicht. Sie hielt das Baby in

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