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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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Zipfel «Glibber» entlocken konnte, für Aaron immer noch das mit Abstand widerlichste Wort, das er kannte. Als seine Zündapp gestohlen wurde, machte er sich mit einem Baseballschläger auf den Weg nach Genooi, die Bronx von Venlo sozusagen, und brachte das Ding tatsächlich zurück. Während Aaron aufs Gymnasium ging, bretterte Piet mit einem tiefergelegten Opel Manta über die Burgemeester Gommansstraat – so einer war das. Was, wenn Suiker diesen Manta abends vor ihrem Haus geparkt und seine teuren Adidas-Schuhe ins Regal neben der Küchentür gestellt hätte? Darum ging es. Suiker an ihrem Küchentisch. Suik im Schlafanzug vor dem Commodore ihres Vaters. «Jungs», hörte er seine Mutter rufen, « Spiel ohne Grenzen fängt an», woraufhin nicht nur Sebastiaan und er die Treppe hinuntergepoltert wären, sondern auch dieser muskulöse Depp. Genau das war Joni passiert.
    Ihr Körper entspannte sich, ihre warme Seite berührte seine. «Und während diese Art von Dingen geschah, echt unangenehmen Dingen, das sah auch ich so, fand ich Wilbert immer netter.»
    Er hielt den Atem an. Mit einer winzigen Bewegung löste er sich von ihrer Haut.
    «Es war ein widersprüchliches Gefühl: Ich wollte ihn partout nicht nett finden. Doch zu mir war er freundlich. Fürsorglich. Er brachte mich auf seinem Moped zum Bahnhof. Und wenn ich von irgendwoher spät wieder nach Hause musste, wollte er mich unbedingt abholen.»
    «Was für ein wirklich netter Kerl», sagte er. Sie schwieg, aber er meinte, das Knirschen ihrer Zähne zu hören.
    «Er machte mich mit seiner Musik vertraut. LL Cool J, Run DMC, NWA – die kenne ich alle durch ihn. Hör dir das mal an, hör dir dies mal an. Er kaufte mir einen Walkman …»
    « Stahl einen Walkman für dich.»
    «… einen sehr teuren Sony. Er nahm mich heimlich mit nach Amsterdam, ins Paradiso: zu zweit zu Public Enemy – mein erstes Konzert, und mein Vater weiß bis heute nichts davon. Am Morgen fuhren wir mit dem ersten Zug zurück. Und ich habe ihm Reiten beigebracht. Wo heute die Werkstatt ist, war damals der Stall von Peggy Sue. Von da war er nicht wegzukriegen. Wenn er nicht auf seinem Moped saß oder durch Enschede streunte, war er bei meinem Pferd. Er wollte unbedingt Reiten lernen. Regelmäßig bin ich mit ihm zum Reiterhof Horstlinde raus, Runden reiten in der Manege.»
    «Resozialisierung in Drienerlo.» Er gab sich Mühe, locker zu klingen.
    «Aber das Schlimmste war, dass er so witzig sein konnte. Janis und mich, aber auch Mama hat er oft zum Lachen gebracht. Aus allem machte er einen Sketch. Wenn mein Vater ihn bat, die Sauciere nachzufüllen, dann stand er nicht etwa auf, sondern nahm eine Stoffserviette vom Tisch, legte sie sich akkurat auf den Schoß und tat, als ob er neunzig und sein Stuhl ein Rollstuhl wäre, quietschend, knarrend, sich drehend und wendend, so machte er sich auf den Weg zur Anrichte. ‹Einsam steht mein Schwanz in dunkler Nacht und hätte dir gerne Glück gebracht›, schallte seine eigenwillige Coverversion von Rhythm Of The Rain durchs Haus, als meine Mutter eine CD von den Cascades geschenkt bekommen hatte.»
    Aaron lachte nicht. Er wand seine Schulter unter ihrem Kopf hervor. «Da muss man dabei gewesen sein.»
    Schweigend starrte er ins Zimmer, auf die hellrosafarbenen Vorhänge, in die weiße Pferde hineingewebt waren. Auf den Sitzflächen zweier hölzerner Schreibtischstühle lagen Kissen, die Jonis Mutter mit demselben Stoff bezogen hatte. Mit anderen Augen, beunruhigten Augen, betrachtete er die Kuscheltiere auf dem rosa gestrichenen Regalbrett, auf dem Schulausgaben von Ein Schwarm Regenbrachvögel , Bougainville und Charakter standen. Er stellte sich vor, wie Joni als Teenager auf ihrem Bett gelegen und diese Bücher gelesen hatte und, wann immer sie Wilbert auf der Straße heranknattern hörte, aufgeschreckt war. Oder erfreut aufgehorcht hatte? Im weißen Kleiderschrank, dessen Schiebetür offen stand, sah er Schuhkartons, in denen bestimmt ihre Schulhefte lagen, ihre Klassenarbeiten und Aufsätze voller a- und o-Kringel wie Kaugummiblasen. Er spürte das Verlangen, die Hefte auf Spuren von Wilbert durchzusehen: seinen Namen, das Public-Enemy-Emblem oder so was. Auf einem Hocker entdeckte er den Stapel Elle , exakt ein Jahrgang, das Abonnement, das sie nach langem Betteln zu ihrem fünfzehnten Geburtstag bekommen hatte, aber sie hatte die Zeitschrift so «bescheuert» gefunden, dass sie das Abo bereits nach drei Monaten wieder hatte

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