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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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und Nachdenken.»
    Sie schmunzelte leise, wahrscheinlich über sich selbst. Sie konnte gut reden, und das wusste sie.
    «Diese Vivianne kam immer am Samstagvormittag, von halb zehn bis halb zwölf, eine Tortur für mich, und schnell anziehen musste ich mich dann morgens auch noch. Wir saßen in dem Zimmer hier, da, an Opa Sigerius’ Schreibtisch, den sie so hübsch als bureau ministre bezeichnet hat, und das tun wir seitdem auch.»
    «Und damit auch ich.»
    «Nur Wilbert nicht», sagte Joni. «Der dachte bei Französisch an etwas anderes. Es entging niemandem, dass er samstags schon früh unten rumhing, ungewöhnlich früh für seine Verhältnisse, und um Vivianne so viel wie möglich herumscharwenzelte. Wenn möglich, nahm er ihr den Mantel ab und hängte ihn in der Diele ordentlich an die Garderobe – Annäherungsversuche, mit denen wir ihn aufzogen, vorsichtig natürlich. Ach, ich fand das irgendwie liebenswert, diese Vivianne … machte durchaus was her in ihren Kostümen. Im Bauernhaus roch es bis zum Abendessen nach Chanel.»
    Er drückte seine Nase an Jonis Hals.
    «Und dann hatte Papa eines Sonntagnachmittags diesen Maurice am Telefon. Ein Gespräch aus heiterem Himmel, das aus der Distanz nicht sonderlich ironisch und gefasst klang – schon nach zwei Minuten ging er nach oben und bat mich, den Hörer unten aufzulegen. Eine Viertelstunde später betrat er das Wohnzimmer. Er sagte: ‹Vivianne kommt nicht mehr.› Sonst nichts.»
    «Aha?»
    «Später am Nachmittag, als Wilbert mit seinem Moped Gott weiß wohin unterwegs war, berichtete er dann, dass Vivianne erwog, Anzeige zu erstatten.» Sie räusperte sich und schluckte noch mal. «Angefangen hatte es mit ihrem Schal, der nicht mehr im Mantelärmel steckte. Möglicherweise irgendwo liegengelassen oder verloren. So was passiert. Die Woche drauf, so hatte es dieser Maurice meinem Vater erzählt, holte sie auf dem Heimweg ihr Taschentuch aus der Manteltasche, irisches Leinen, ein parfümiertes Damentaschentuch, solche Nippsachen hatte sie immer dabei. Das Taschentuch hatte sich in einen feuchten Klumpen verwandelt. Und es roch auch nicht mehr nach Chanel, sondern nach lauwarmem Sperma. Obwohl sie das ‹richtig widerlich› fand, ‹richtig widerlich›, verlor sie kein Wort darüber, auch nicht gegenüber Maurice. Sie ahnte natürlich, wer ihr den Kleister reingemacht hatte.»
    Joni schwieg einen Moment und drehte sich auf die andere Schulter. Das Bett knarrte.
    «Bloß kein Drama draus machen, das nahm Vivianne sich vor, der Knirps war ja schließlich noch ein Teenager, ein etwas ungehobelter Teenager zwar, das hatte sie schon festgestellt. Und außerdem gefiel es ihr bei uns, alles passte . Vielleicht fühlte sie sich auch ein bisschen geschmeichelt, man weiß es nicht. So ein Klecks ist ja irgendwie auch ein Kompliment, oder?»
    «Auf jeden Fall eine kleine Aufmerksamkeit.»
    «Zwei Wochen nach dem Taschentuch, von dem niemand wusste, nur sie und Wilbert, saß Vivianne wieder bei mir im Zimmer, und wie immer irgendwann während der zweiten Stunde, nachdem meine Mutter uns Kaffee und Rosinenwecken gebracht hatte, ging sie auf die Toilette, hier oben in dem kleinen Badezimmer. Da sitzt sie also auf dem Klo, die Tür abgeschlossen, und hört auf einmal etwas hinter dem Duschvorhang, ein Geräusch. Sie hört jemanden atmen – so hat sie es vor Gericht –»
    «Vor Gericht?»
    «In Almelo, ja. Sie hört ein Atmen und erstarrt. Einen Moment lang meint sie, sich selbst zu hören, ihr eigenes Keuchen. Dann fasst sie sich ein Herz und zieht den Vorhang weg. Da steht er: nackt, die Trainingshose auf den Fußknöcheln, in der Hand den schottischen Schal, den sie seit drei Wochen vermisst. Wilbert holt sich einen runter und schnüffelt dabei an dem verdammten Schal, anderthalb Meter von Vivianne entfernt –»
    «Pfui Teufel.»
    «Aber was macht sie? Sie schreit nicht. Sie deckt ihn, ungewollt, sie habe sich nichts dabei gedacht, behauptete sie später – sie verschont ihn, indem sie nicht schreit. ‹Was machst du da?›, flüstert sie, und in dem Moment kommt er. Sie steht daneben und schaut zu. Er macht einen Schritt nach vorn, sodass er fast über ihr schwebt, und ergießt …»
    «Spritzt.»
    «Meinetwegen, spritzt ihr seinen Samen auf Handgelenk und Oberschenkel. ‹Du bist total verrückt›, flüstert sie, und immer noch beherrscht sie sich, vielleicht weil sie vor Schreck wie gelähmt ist, das hat sie später jedenfalls gesagt. Sie zieht den

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