Bonita Avenue (German Edition)
Duschvorhang wieder zu, wischt sich mit Toilettenpapier das Sperma von den Beinen, zerrt Strumpfhose und Rock hoch, vergisst abzuspülen, wäscht sich noch rasch das Handgelenk und kehrt zurück in mein Zimmer.»
«Was für ein Scheißkerl», sagte Aaron.
«Tja …», sagte sie. Kurz hielt sie inne. «Aber», fuhr sie dann fort, «diese Vivianne war schon komisch. Sie kommt in mein Zimmer, schaut in den Spiegel, zupft ihre spießige Bluse zurecht und setzt sich wieder hin. ‹Nun denn›, sagt sie, ‹wo waren wir? Futur du passé , ganz schön schwierig …› Nichts! Kein Wort über Wilbert. Bis zu dem Telefonanruf wusste ich nicht, dass da überhaupt etwas passiert war – wirklich nicht. Die hat den Nachhilfeunterricht einfach fortgesetzt, so wie immer bin ich mit ihr nach unten gegangen, in der Diele haben wir uns sogar noch mit meiner Mutter unterhalten, und danach ist sie mit ihrem kleinen Renault zu Maurice gefahren.»
Draußen, von jenseits des Campus, wahrscheinlich von den Schienen in Richtung Bahnhof Drienerlo her, ertönte das Signalhorn eines Intercity. Das langgezogene Geräusch drang ins Gästezimmer und brachte ihn zu sich, machte ihm bewusst, dass er, was mitschwang, nicht so richtig peilte. Wie stand sie dazu? Sie schien die Frau zu verurteilen. Oder doch nicht? Schon seit Tagen schätzte er alles und jeden falsch ein.
«Offenbar wollte sie die Sache erst mit jemandem besprechen», sagte er. «Dumm war sie nicht, klar. Dass sie nicht gleich ein Fass aufgemacht hat, kann man auch Selbstbeherrschung nennen.»
«Stimmt», sagte Joni. «Aber es ist auch komisch. Es ist komisch, einen solchen Vorfall überhaupt nicht zu erwähnen. Sie benahm sich, als wäre im Badezimmer nichts passiert. Und wer sagt, dass im Badezimmer etwas passiert ist?»
Anstatt die Überlegung auf sich wirken zu lassen und den Anschein zu erwecken, dass er diese Möglichkeit auf jeden Fall in Erwägung zog, schnauzte er: «Das ist doch nicht dein Ernst? So was denkt man sich nicht aus! Natürlich ist es passiert.»
«Na ja», sagte Joni, «er hat es zumindest nie zugegeben …»
«Ja, hallo? Warum sollte er?»
«Du sagst, dass man sich so was nicht ausdenkt, aber man könnte auch sagen: So was tut man nicht. Man würde sich so was eher ausdenken, als es tatsächlich tun.»
Er spürte Wut in sich aufsteigen. «Jemanden mit einem Hammer zu Brei schlagen, Joni, das hab ich auch schon mal erwogen. Und dann doch nicht getan. Euer Wilbert, der tut, was er sich vornimmt. Bei ihm geht alles schief. Ich nehme an, der Richter war derselben Meinung?»
Sie drehte sich von ihm weg, stieß ihren Hintern wie einen Boxhandschuh in seinen Unterleib. «Es stand Aussage gegen Aussage», sagte sie. «Beweise gab es nicht. Keiner hatte etwas gesehen oder gehört.»
Er richtete sich auf und betrachtete die Dunkelheit ihrer Schulterblätter auf dem Laken. War das ihr Ernst? Zweifelte sie wirklich an dem, was dort im Badezimmer passiert war? «Joni», sagte er, «nun sei doch nicht so schrecklich naiv. Und was ist mit dem vollgespritzten Taschentuch? Auch ausgedacht? Nun sei doch mal vernünftig.»
«Das sagst ausgerechnet du», schnauzte sie zurück. «Du willst mir erzählen, was vernünftig ist und was nicht?»
«Ich sage nur meine Meinung, und ich finde dich tatsächlich ausgesprochen unvernünftig. Wie ging der Prozess aus?»
«Ausgesprochen unvernünftig …?» Sie schnaubte theatralisch. «Verdammt noch mal», fuhr sie ihn an, «das lass ich mir nicht gefallen. Du benimmst dich schon die ganze Woche wie ein Schwachkopf, auch vorhin wieder, bei Tisch, mit deiner Heldengeschichte, und nun bezeichnest du mich als unvernünftig? Nimm noch eine Schlaftablette, Aaron. Gute Nacht.» Sie zog die Decke weiter zu sich rüber, wühlte ihren Kopf ins Kissen. Er war froh, dass das Licht aus war, denn er spürte, wie er errötete. «Heldengeschichte?», fragte er so ruhig wie möglich. «Wovon sprichst du?»
Sie schwieg.
«Hm?»
«Aaron, du glaubst doch nicht etwa, dass ich dir auch nur ein Wort von deinem Geschwätz über diesen Manus abnehme?»
«Dann eben nicht.»
«Ich nehm dir einen Scheißdreck davon ab.»
Es herrschte Stille, fünf Minuten. Zehn Minuten? Er starrte auf die sich sanft wölbenden Vorhänge. Allmählich war er davon überzeugt, dass sie schlief, und das machte ihn rasend. Sie wusste, dass er nach einem Streit nicht schlafen konnte. Du kannst auch nicht schlafen, wenn wir uns nicht gestritten haben, würde es
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