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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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halben Körbchen, und in einem Kunststoffkasten fand er eine schwarze Netzstrumpfhose, die, so die Verkäuferin, seiner Gattin wunderbar stehen würde. Einfach wieder an die Arbeit gehen, den Streit auf später verschieben. Er fuhr zurück zum Krater und fragte sich, mit welchen Worten er ihr vorschlagen sollte, auf den Dachboden zu steigen, um sich umzuziehen. Seit Wochen spürte er etwas, das sexueller Erregung nicht unähnlich war.
    Zum zweiten Mal an diesem Tag, fast schon so, als wäre es ganz normal, betrat er sein Haus, diesmal bereit zur Versöhnung. «Hallo!», rief er, als er ins Wohnzimmer ging. Sie antwortete nicht, vielleicht telefonierte sie ja immer noch. Er durchquerte das verlassen daliegende Wohnzimmer und schaute durchs Küchenfenster in den Garten, aber da war sie nicht. Er kehrte zurück in die Diele und klopfte wider besseres Wissen an die Toilettentür.
    Er lächelte. War sie etwa auf denselben Gedanken gekommen wie er, das bewährte Versöhnungselixier, und war schon auf dem Dachboden? Womöglich hatten die telepathischen Drähte den Sturm ja überstanden. Mit großen Schritten stieg er ins obere Stockwerk hinauf und schaute auf dem Treppenpodest – wo keine ausklappbare Treppe heruntergelassen war, wie er sogleich bemerkte – trotzdem mit halboffenem Mund zur Dachbodenluke hin. Zu. Natürlich. Das kupferfarbene Bügelschloss sah ihn eisig an. Das Haus war verwaist. Durchs Badezimmerfenster konnte er sehen, dass ihr Fahrrad, das seit der Hochzeit in Zaltbommel, gegen die Nadelgehölze gelehnt, auf sie gewartet hatte, weg war.
    Längst nicht mehr erregt, polterte er die Treppe hinunter. Weil die Staubsaugerbeutel darauflagen, dauerte es ein paar Minuten, bevor ihm auf dem Esstisch sein Zettel ins Auge fiel. Unter seiner eigenen Handschrift sah er ihre.
    Seine Reaktion auf das, was er las, war atypisch für seinen Charakter, für die Situation, für seine tiefsitzende Angst, sie zu verlieren, aber offenbar keineswegs atypisch in pathologischer Hinsicht, denn als er Haitink sein Verhalten Monate später beschrieb, nickte sie eifrig, ein Nickesel über den Erdölfeldern seiner Psyche. Er beschrieb ihr, dass sein Bewusstsein nicht etwa zu einer kleinen, harten, schweren Kugel aus Bedauern zusammengeschrumpft sei, wie man es habe erhoffen und erwarten dürfen, sondern sich zu einem Universum aus Wut und Gekränktheit ausgedehnt habe. «Gottverdammte Scheiße!», schrie er, «elende gottverdammte Scheiße! Miststück! Schlampe!» Mehrmals schlug er kräftig mit dem Staubsaugerbeutelkarton auf die Ecke seines Esstischs und ließ sich anschließend einige Minuten Zeit, ihn in Fetzen zu reißen, bevor er sich jeden Beutel einzeln vornahm und in Fetzen riss. Als ihm der Schweiß von der Stirn lief, grapschte er den Zettel zwischen den Schnipseln hervor, entfaltete ihn und lief damit zur Toilette. Er pisste drauf. Bevor er spülte, fischte er ihn noch einmal aus seinem Urin («Aaron», sagte Haitink, «versuchen Sie, für sich selbst herauszufinden, warum Sie das getan haben») und las zum zweiten Mal, was sie geschrieben hatte.
     
Ich habe gute Nachrichten für dich, Aaron: Soeben erfahre ich, dass Ennio tot ist. Ansonsten bin ich sehr erleichtert darüber, dass du dein Zuhause wiederhast, denn ich möchte dich vorläufig nicht mehr sehen. Ruf mich nicht an, Joni

9
    Jetzt, wo es endlich ruhiger ist auf dem Campus – die letzten Prüfungen des Studienjahrs sind abgenommen, die meisten seiner Mitarbeiter haben mit dem Campingwagen oder per Flugzeug das Land verlassen, und wenn er morgens mit dem Rad in sein Büro fährt, zeigt sich ihm die Universität so, wie er sie in seinen schlimmsten Albträumen vor sich sieht: als wäre sie drauf und dran, geschlossen zu werden –, macht er eine erste Erkundungsfahrt nach Den Haag. Er liebt es, erste Klasse zu reisen. Am entlegensten Tisch im Garten der Brasserie Dudok isst er mit Frederik Olde Kannegieter, der den größten Teil des Vormittags im Finanzministerium verbracht hat, zu Mittag. Sie haben eine mühsam zusammengeklaubte Stunde Zeit, um zu besprechen, wie nach Kannegieters Vorstellung der Hase im Ministerrat läuft, der der Ernennung von Sigerius letztendlich zustimmen muss. Sie kennen einander aus Boston, wo Kannegieter auf seine Empfehlung hin Vorlesungen auf dem Fachgebiet Operations Research gehalten hat. Nachmittagelang haben sie in seinem Arbeitszimmer am MIT gemeinsam über einem Aufsatz übers traveling salesman problem gebrütet, eine

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