Bonita Avenue (German Edition)
Training mit Strulens, Radfahren ist gut.»
Manchmal ließ er, ehe er abends auf seinem Strohsack in Schlaf fiel, Geesink mit der Bestie Bluming kämpfen, und natürlich gab Geesink in seiner Phantasie dem Kerl in vier von fünf Fällen ordentlich eins auf die Mütze, aber am Ende verlief es dennoch oft auf beklemmende Weise anders, dann sah er im Geiste, wie Bluming seinen Helden entehrte, indem er den Weltmeister erbarmungslos über die Tatami prügelte, denn so sicher war er sich nicht; wenn er dem Glauben schenkte, was man sich erzählte, dann war Bluming kein Schlappschwanz, er lief mit Schusswunden aus dem Koreakrieg herum, und er behauptete, nicht nur den fünften Dan im Judo zu haben, sondern auch schwarze Gürtel in asiatischen Kampfsportarten, deren Namen man hier nicht, ohne zu stottern, aussprechen konnte.
Doch nun standen sie im Umkleideraum, drei stämmige Amsterdamer, Rinus Elzer, ein gewisser Hoek und ein grinsender blonder Bär, dessen Oberkörper man in Rom mit einer Schaufel ausgegraben hatte – war das etwa Bluming? Kleiner, aber muskulöser, als er ihn sich vorgestellt hatte, auch jünger. Niemand sagte etwas. Sie waren herzlich willkommen, das auf jeden Fall, Geesink empfing die Herren freundlich, er empfing sie wie ein echter Champion, sichtlich erfreut war er, mit den Muskeln von anderen konnte man ihn überglücklich machen, nur dadurch werde man besser, genau deshalb fahre er so oft nach Japan: um sich dort so viel fremdes Fleisch wie möglich vorzuknöpfen.
Die Amsterdamer machten beim Randori mit, das technische Training ließ Geesink aus, Balkontüren auf, kurze Kämpfe an der frischen Luft, alle fünf Minuten wurde gewechselt, und sie waren alles andere als schlecht, das konnte man sehen. Menno hatte schon eine ordentliche Lektion von diesem Elzer erteilt bekommen, und noch ehe Geesink einen der Gäste auch nur angetippt hatte, stand Sigerius dem semmelblonden Standbild gegenüber. «Machst du diesen Bluming zu Kleinholz?», flüsterte Menno ihm ins Ohr.
Es war seltsam, natürlich hatte er bereits gewusst, dass dieser hellhaarige Kerl der Feind war, so etwas weiß man, aber jetzt, da er es genau wusste, verspürte er keine Angst mehr, sondern irgendwas anderes, im Zusammenspiel von Herzschlag und Muskelspannung änderte sich etwas, und auch in seinem Kopf. Du bist also der, der Geesink die ganze Zeit triezt? Seine Arme, sein Brustkorb, seine Schenkel, sie füllten sich mit stellvertretender Raserei, und im Namen seines Sensei, im Namen des Weltmeisters, der ihn in seiner Nähe duldete und sich Mühe gab, ihn besser zu machen, ging er auf Bluming los. Kantig und kompakt, geerdet wie ein Hünengrab, daran erkennt man den echten Judoka, er wiegt vierhundert Kilo, seine Füße schlagen Wurzeln in der Matte und meterweit durch sie hindurch, und das war so einer. Unbeugsam und zugleich geschmeidig begann Bluming, ihn durch die Halle zu dirigieren, und ehe er sichs versah, kam ein tiefer Schulterwurf, er landete hart auf seiner Schulter, doch auf Blumings zweiten Angriff ging er mit einem kehligen Schreien ein – das hatte er in den letzten Monaten trainiert, reihenweise Eingangsvarianten, das Timing seiner Würfe und die Kraft, mit der er seinen Rivalen hintenüber warf und noch ein, zwei Meter über die mit Schilf gefüllte Matte rutschen ließ, es erregte die Aufmerksamkeit der anderen Männer. Sie schauten ihm zu. Die nächsten Punkte gingen an ihn, ein roher Siem Sigerius erhob sich in ihm, er verpasste Bluming eine fürchterliche Abreibung, er wütete mit einer Blutrünstigkeit, die er seinem weiteren Judoleben zugrunde legte, vielleicht seinem Leben überhaupt. Minutenlang warf er den Aufschneider herum, wie er nur wollte, O-soto-gari, Tai-o-toshi, pack ihn dir, da lag der große Kampfsportkönig, und auf dem Boden presste er Blumings lügenhafte Kehle zu.
Erst am Abend, als die drei sich aus dem Staub gemacht hatten, nachdem seine Strafaktion durch Geesink noch einmal in abgeschwächter Form wiederholt worden war, erfuhr er, während er glühend vor Befriedigung mit Jan und Peter Snijders zur Kaserne zurückradelte, dass der Amsterdamer mit den strohgelben Locken gar nicht Jon Bluming hieß. Wie bitte? «Du darfst nicht alles glauben, was dieser Wijn dir so einflüstert, Sigerius», sagte Jan Snijders. «Der Blonde, von dem du sprichst, ist viel jünger als Bluming und heißt Ruska. Willem Ruska.»
Es ist Viertel vor acht, er muss zusehen, dass er vor halb neun auf dem
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