Bonita Avenue (German Edition)
weder zu- noch abgesagt hatte. Kristin war eine Regisseurin ungefähr in meinem Alter, die dabei gewesen war, als Rusty mich «gescoutet» hatte, und sofort nach meiner Einstellung ging das mit dem «Liebchen» los. Sie legte eine strategische Freundlichkeit an den Tag, für die vor allem Rusty sehr empfänglich war.
«Weil ich von dir wissen will, ob ich dich fürs übliche Honorar einplanen soll», antwortete Steve.
«Hab ich etwa schon ja gesagt? Mit wem ist es denn?»
«Mit ähm … kleinen Moment.» Steve hüstelte, woraus der Lautsprecher ein lautes Knarzen machte. Ich fragte mich, ob er hören konnte, dass ich auf Freisprechen geschaltet hatte.
«Es geht um girlslapsgirl . Bobbi …»
«Bobbi Red», ergänzte ich.
«Glaub schon, ja», sagte Steve.
Rusty nickte eifrig und reckte beide Daumen in die Höhe. «Steve!», rief er laut.
Einen Moment war da nur Rauschen. «Rusty?»
«Steve – sie macht es, Mann. Du müsstest ihr Gesicht sehen. Joy ist verrückt nach Bobbi.» Er warf mir ein herzliches Lächeln zu. Er hatte recht, ich war verrückt nach Bobbi.
«Steve», fuhr er fort, «wo ich dich gerade am Apparat habe: Hast du den Vertrag für Vince schon fertig?»
«Fast», sagte Steve. «Ich meine: so gut wie. Ich warte eigentlich nur noch auf eure Antwort. Auf meinen Gehaltsvorschlag.»
«Wie üblich sieben», sagte Rusty. «Ködere ihn mit den zusätzlichen Vergünstigungen.»
«In Cleveland hat er eine Beteiligung gekriegt», sagte Steve.
«Am Umsatz?», fragte ich.
«Äh … am Gewinn. Ein halbes Prozent.»
Rusty sah mich an, ich schüttelte den Kopf. «Ist in Ordnung, Steve», sagte er. «Ausdrucken, abschicken. Okay? Mach einfach. Bis dann, Steve.»
Er hatte sich erhoben und stand, ohne den Stuhl zurückgestellt zu haben, wieder mit der Klinke in der Hand in der Tür. «Was treibt dich bloß?», sagte ich, nachdem ich aufgelegt hatte.
«Tut mir leid», sagte er, «ich muss diesen Vince unbedingt haben. Du auch, glaub es mir. By the way , wusstest du, dass Bobbi nächste Woche bei Tyra Banks ist?»
Diese Nachricht erstaunte mich so, dass ich auf der Stelle nicht mehr verärgert war. «Wirklich? Wieso?»
«Teufelsaustreibung. Satan hat seine Tochter geschickt, und sie heißt Bobbi Red.» Er schaute auf seine Rolex. « Feck ! Joy, ich muss weiter. Jetzt. Du und deine weltberühmte Bobbi, ihr könnt in zwei Wochen in die Barracks. Das verspreche ich dir.»
Bobbi Red – ich hatte sie 2007 aus Gastfreundschaft eine Weile bei mir wohnen lassen, was sie einer, so könnte man sagen, ungewöhnlichen Initiativbewerbung zu verdanken hatte. Es fing an mit einem Brief, den sie an Rusty geschrieben hatte, keine schlampige E-Mail, wie wir sie öfter bekamen, sondern ein ausgedrucktes, akkurat gefaltetes Bewerbungsschreiben in einem mit Spucke verschlossenen Umschlag, das ich aus Faszination immer noch in meiner Schreibtischschublade aufbewahrte. Bewerbungen wie diese bekamen wir auch bei McKinsey: ein imposanter Briefkopf, eine Betreff-Zeile und eine Gliederung wie aus dem Handbuch für den Karrierestart, sodass sich nicht sofort erkennen ließ, ob Bobbi, die sich damals noch Meryl Dryzak nannte, uns durch den Kakao zog oder es ernst meinte, ob sie maßlos naiv oder maßlos witzig war. «Das musst du mal lesen», sagte Rusty zu mir.
«Sehr geehrter Mister Wells», so begann ihr Brief, «schon seit Jahren schaue ich mir mit großem Vergnügen im Internet Ihre Produktionen an. Gerne würde ich in Ihrem Unternehmen als Darstellerin anfangen», worauf ein Absatz folgte, aus dem hervorging, dass sie zurzeit ein junior college in Denver, Colorado, besuchte, dort Gesangs- und Schauspielunterricht bekam, Seminare über Filmgeschichte und moderne Literatur belegt hatte und das alles auch «sehr interessant» fand, dass sie aber, ganz im Einklang mit dem Federal Obscenity Statute, seit ihrem achtzehnten Geburtstag die Zeit für reif hielt, dem Ruf ihres Herzens zu folgen. Und ihr Herz gehörte, wie sie annahm, dem Pornofilm, und am liebsten würde sie in Filmen mitspielen, wie wir sie produzierten, «hart, realistisch und ideenreich». Der zweite Absatz war eine scheinbar klassische Selbstbeschreibung. «Den Menschen in meinem Umfeld zufolge bin ich ein zuverlässiger Mensch, der über hervorragende kommunikative Fähigkeiten verfügt. Seit meinem zwölften Lebensjahr schaue ich state of the art -Pornofilme. Ich blicke auf eine reiche Erfahrung mit Analsex, Deepthroating, Squirting usw. zurück. Beim
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