Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
Vom Netzwerk:
Beitrag zum Glück unzähliger Menschen. Sie erzählte, sie stamme aus Steamboat Springs, Colorado, einem Kaff in den Rocky Mountains, und dort habe sie achtzehn Jahre lang alles sehr eingehend studiert, was langweilig, gewöhnlich und ermüdend sei. Jetzt sei es Zeit für etwas anderes.
    «Nimmst du Meth?», fragte Rusty. Ich sah ihm an, dass es ihm zu philosophisch wurde.
    «Ich bin ein Fickjunkie», antwortete sie.
    «Schon klar.» Rusty tat so, als machte er sich eine Notiz.
    Wir waren hier einiges gewohnt, an der Coldwater wurde von morgens früh bis abends spät mit schmutzigen Ausdrücken um sich geworfen, vor allem auf dem Set und drum herum – aber so? Ohne die vulgäre Spontaneität, die ihre Artgenossinnen auszeichnete (und wer weiß, vielleicht auch ohne deren ebenso charakteristische Aufdringlichkeit, Falschheit, hinterlistige Verrücktheit und bizarre Unzuverlässigkeit, die, das musste ich zugeben, unentbehrlich zu sein schienen, um in dieser Stadt überleben zu können), ohne das herausfordernde Geschnatter und ordinäre Gekaue kompletter Kaugummipäckchen auf einmal klang das alles anders, unwirklicher. Härter.
    Während des ganzen Gesprächs hielt sie, mit dem Mittelfinger zwischen zwei Seiten, ein Houellebecq-Taschenbuch in der Hand. Als Rusty ihr empfahl, einen nom de plume zu wählen – ein aus seinem Mund besoffen klingender Ausdruck, der mich auflachen ließ und verriet, dass er von der künstlerisch-intellektuellen Atmosphäre, die sie versprühte, benebelt war –, fragte sie, ob ihm schon einer vorschwebe. Rusty nahm sich Zeit und dachte nach; was Künstlernamen anging, hatte er einen Ruf zu verlieren. «Gigi Green», sagte er.
    «Vielleicht wäre Bobbi Red nicht schlecht», erwiderte sie schlagfertig. Dieses «Green», vermutete sie, würde sicher Type-Casting Vorschub leisten, und das befürchtete sie sowieso schon wegen ihres mädchenhaft schlanken Körperbaus. «Ich habe, um es mal so zu sagen, keine Lust, in weißen Slips und karierten Kniestrümpfen anzutanzen, bis ich fünfundzwanzig bin. Daddy Fucked The Babysitter , soundsovielte Folge.»
    Ich sah, dass Rusty ein Lachen unterdrückte. Normalerweise stand er nicht besonders auf Sperenzchen, normalerweise würde er einer Frau, die so drauflosschwatzte, ein Knäuel Harry-Potter-Socken zuwerfen. «Sehr gut, Bobbi», sagte er. Sie sah aber auch wirklich gut aus. Sie war bildschön.
    Nachdem sie sich ausgezogen und die obligatorische Drehung um die eigene Achse gemacht hatte («knie dich mal kurz hin, da auf dem Stuhl, ja, Hintern zu uns, genau, Hohlkreuz, umschauen – okay»), erzählte sie, dass sie mit einem Polster von viertausend Dollar nach L. A. geflogen war, Geld, das sie sich in einem Steakrestaurant in Steamboat Springs zusammengekellnert hatte. Seit ein paar Tagen hatte sie ein Ein-Zimmer-Apartment ganz oben im Valley gemietet, ohne Klimaanlage, ohne Herd, ohne alles. Ich konnte mir das Loch gut vorstellen und auch, was ihr bevorstand, ich sah sie vor mir auf den Sets, wo sie in den kommenden Monaten mit ihren mageren Teenietitten landen würde. Ein Gefühl, das ich bei ähnlichen Gesprächen noch nie gehabt hatte, überwältigte mich: der Wunsch, mich ihrer anzunehmen.
    Rusty überkamen ganz andere Anwandlungen, er schlug seinen krokodilledernen Wochenkalender auf. So wie immer, wenn Neuzugang ihm gefiel – und wann gefiel ihm Neuzugang nicht? –, plante er sich selbst als ersten Partner ein, darin war er konsequent. Genau dafür machte er all das ja schließlich. Dann kam die Schnupfdose auf den Tisch, Koks, Viagra – ohne sein Pulver kriegte Wells kaum etwas gebacken. Weil Bobbi drei oder vier Drehtermine im Monat ein bisschen wenig fand, rief er in ihrem Beisein bei Kwimper Girls an. Ihr zuzwinkernd, legte er sie Toby Kwimper ans Herz, einem Captain of the Industry der ersten Stunde. Bereits seit dreißig Jahren betrieb Kwimper seine Agentur in einem verräucherten Buick, mit dem er von mittags bis tief in die Nacht im San Fernando Valley um die Blocks fuhr. «Bobbi ist eine ganz besondere Dame, Kwimp, und du weißt, was das bedeutet, wenn ich es sage. Von Bobbi werden wir noch hören.»
    Das waren prophetische Worte, vor allem Rusty sah das so. Denn er behielt recht. Bobbi Red, vormals Meryl Dryzak, entwickelte sich auf spektakuläre Weise zu einer Kultfigur, zu einem Pornostar neuen, anderen Formats – immer noch größtenteils im Untergrund, das schon, aber weitbekannt und absolut cross-over. «Bobbi wird die

Weitere Kostenlose Bücher