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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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Coitus gebe ich mich gern untertänig, aber mit ebenso großem Vergnügen spiele ich auch die Gebieterin. Darüber hinaus platze ich vor kreativen Ideen, um Ihr Angebot noch interessanter zu machen. Ich könnte mir vorstellen, in fünf Jahren Regisseurin zu sein. Vielleicht bietet Ihr Unternehmen diese Aufstiegsmöglichkeit? Mir bleibt nur zu betonen, dass ich ein Teamplayer bin und Wert auf eine gute Arbeitsatmosphäre lege. Gerne würde ich meine Bewerbung auch mündlich erläutern. Hochachtungsvoll, Meryl Dryzak.»
    Rusty konnte nicht mehr an sich halten. Und das, noch ehe er Meryls Lebenslauf gelesen hatte. Dass sie ein Genre veräppelte, ja dass sie Rusty selbst veräppelte, ging erst aus ihrem Lebenslauf zweifelsfrei hervor, einem A4-Blatt, das mit demselben Pseudo-Ernst daherkam wie ihr Brief. Zwischen ihren Angaben zu Person und Hobbys (Sport und Film, sie mochte Werner Herzog, Kurt Russell, Rocco Siffredi und Michelangelo Antonioni) hatte sie eine Rubrik «Aus- und Weiterbildung» eingefügt, doch statt der elementary school und der high school , die man erwartet hätte, hatte sie zwischen Anfangs- und Enddaten ihre Liebesbeziehungen aufgelistet, fettgedruckte Lemmata, hinter denen in unmissverständlichen Stichwörtern aufgezählt wurde, was genau sie von «Rich», «Josh» oder «La Toya» im Bett aufgeschnappt hatte. Für den Fall, dass wir nachfragen wollten, konnten wir unter drei Gewährsleuten wählen, und um auszuprobieren, ob es die Telefonnummern, die sie nannte, auch wirklich gab, rief Rusty mit einem breiten Grinsen im Gesicht jemanden an, den sie als «Joey F(ucking) Bastard» aufführte. Als sich ein Anrufbeantworter meldete («Gärtnerei Joe Lightcloud, wir kümmern uns um Ihre Gärten und Weiher»), fing er träge zu kichern an und hörte damit bis nach dem Piepton nicht wieder auf.
    Eine Woche später saß Meryl uns in Rustys Büro gegenüber, nicht das Mädchen, das den Brief geschrieben hatte, sondern ein Mädchen wie der Brief: kultiviert, gleichzeitig unkultiviert. Sie trug ein langes dunkelgrünes T-Shirt mit Led-Zeppelin-Aufdruck, um ihre schmalen Hüften hing ein breiter, eisenbeschlagener Gürtel, ihr ausgefranstes Röckchen war aus Camouflage-Stoff, ihre Füße steckten in hohen Basketball-Nikes. Mit ihrem dunkelbraunen, geflochtenen Haar und dem abgeklärten Gesicht, einer vorteilhaften Mischung aus Mona Lisa, Kate Moss und einer Manga-Heldin, sah sie nicht nur anders aus als der «gefallener Cheerleader»-Typus, von dem es im Valley nur so wimmelte (sie hatte keine aufgespritzten Lippen, war nicht voller Tattoos, hatte ihre Lachmuskeln unter Kontrolle) – sie verhielt sich auch anders. Intelligent und ernst. Ihre bedächtige Stimme klang formell, ein wenig gelangweilt, doch was sie in diesem getragenen Tonfall sagte, war selbstbewusst und, genau wie ihr Brief, auf eine ungewöhnliche Weise zügellos.
    So wie immer führte Rusty das Wort, Vorstellungsgespräche gab er nicht gern aus der Hand. «Meryl», sagte er nach ein paar Witzen über das Kilo Zucker, das er in seinen Kaffee geschüttet hatte, «aus deinem Brief, aus der Art, wie du redest und dich uns präsentierst, glauben wir, schließen zu können, dass du ein intelligentes, talentiertes Mädchen bist. Ein Mädchen, das zweifellos in der Lage ist, seine Zukunft exakt so zu gestalten, wie es das selber will. Ich habe gelesen, dass du Film und Literatur studierst, aber ich nehme an, du hättest mit ebenso guten Gründen auch Jura oder Medizin wählen können, oder Raumfahrt. Trotzdem möchtest du für uns arbeiten. Erzähl mir doch mal was über deine Gläubiger.»
    Rusty hatte damit gerechnet, dass sie ihn nicht gleich verstehen würde, doch sie verstand ihn genau. «Geld interessiert mich nicht», sagte sie, ohne zu lächeln. «Geld törnt mich nicht sonderlich an.»
    Und als wäre Rusty Herbert von Karajan und sie selbst eine zum Vorspiel angetretene Geigerin, die zu den Berliner Philharmonikern möchte, erläuterte sie, die Branche interessiere sie wegen des ungeheuren Vergnügens, das Sex ihr bereite, ein Vergnügen, das sie so gründlich wie möglich auskosten wolle, an erster Stelle das – «Genuss hat etwas besonders Begehrenswertes», sagte sie feinsinnig; an attraktiver zweiter Stelle folgte ihr Wunsch, die Resultate dieses persönlichen Zugewinns mit möglichst vielen zu teilen, sie habe auch altruistische Motive, für sie sei Porno, «guter Porno», sagte sie mit erhobenem Zeigefinger, ein unterschätzter

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