Bonita Avenue (German Edition)
Haarbürste, die Klistierspritze, die ich ihr für den Fall empfohlen hatte, dass Analszenen auf dem Programm standen. Ich erwischte mich dabei, dass ich unbewusst registrierte, wie oft Bobbi mit der Tasche loszog. Als sie mir nach sieben Wochen mit einem bedauernden Schmollmund mitteilte, sie habe ein Loft im Sun Valley gefunden, stand der Zähler auf achtunddreißig. Achtunddreißig Filme, davon fünf an der Coldwater Canyon Ave; ausgehend von dem, was sie bei uns verdiente, musste sie inzwischen rund vierzigtausend Dollar auf ihrem Konto haben.
«Fünfzig», sagte sie. «Aber es geht nicht ums Geld, Joy. Es geht ums Œuvre», und bei diesem Wort ließ sie ein seltsames Kichern hören. «Um den ewigen Ruhm. Ist doch toll, dass jeder bis in alle Zeiten sehen kann, wie ich dem Ruf meines Herzens folge.» Ja, das Leben im Valley sei genau so, wie sie es erwartet habe, nein, es sei sogar noch besser, und das habe auch ein wenig, sagte sie süßlich, mit meiner Gastfreundschaft zu tun.
An einem der letzten Abende, an dem sie die in Anspruch nahm, kehrte ich von der Coldwater zurück und vernahm, die Klinke der Eingangstür noch in der Hand, gedämpftes Reden in meinem Wohnzimmer. Unbekannte Stimmen im Gespräch mit Bobbi. Ich hörte die Wörter «Papa» und «Absolution». Erst als ich das Zimmer betrat und neben meinem Logiergast eine erwachsene Frau und auf dem Kanapee ihnen gegenüber einen tätowierten Mulatten sitzen sah, fiel mir wieder ein, dass ihre Mutter und ihr Bruder vorgehabt hatten, Bobbi in ihrer neuen Stadt zu besuchen, ein Vorhaben, das immer weiter hinausgeschoben worden war. Bobbi hatte dieses Treffen irgendwie bevorgestanden, weil sie fest entschlossen gewesen war, ihre Familie über ihre begonnene Karriere zu informieren. Das hatte sie inzwischen getan, wie ich sofort begriff.
«Hi, Joy», sagte Bobbi, als sie mich sah, und streckte lächelnd den Rücken, «darf ich kurz vorstellen? Das sind meine Mutter und mein Bruder.» Der animalisch wirkende junge Typ, der sitzen blieb, als ich auf ihn zutrat und ihm die Hand reichte, ähnelte seiner Schwester so, wie es Einheit in Gegensätzen geben kann: Alles, was an Bobbi graziös, zierlich und fraulich war, fand in diesem Dryzak-Spross sein maskulines Pendant. Er war wahnsinnig muskulös und hatte eine derbe Nase und mächtige Augenbrauen, mein Blick streifte eine kräftige, schwarz tätowierte Schulterpartie in einem ärmellosen Shirt, dessen makelloses Weiß die pechschwarzen Augen in Brand steckte, Augen, die ungeachtet des pockennarbigen Gesichts, in das sie gefasst waren, ganz offensichtlich aus demselben Gefäß mit Kalamata-Oliven stammten wie die von Bobbi. Er schaute mich damit nicht an, sondern starrte fuchsteufelswild auf die Frauenhand in seinem Schraubstock.
«Ich habe vorhin schon beim Fabrikanten angerufen», sagte Bobbi zu mir, «die haben ihn nicht auf Lager. Ich fürchte, es wird ein paar Wochen dauern.»
Ihre Mutter war eine stämmige Frau mit dichtem, glattem schwarzem Haar und hohen Wangenknochen – trotz der Jeans und der Lederjacke sah sie wie eine Squaw aus. Um zu ihr zu gelangen, hätte ich durch die Glasstücke waten müssen, die meinen Flokati wie Hagelkörner bedeckten, was ich nicht tat; wir nickten einander nur zu. Auf ihrem ausladenden Schoß und um ihre Füße herum lagen zusammengeknäulte Tücher aus der Kleenex-Schachtel, die auf der ledernen Lehne meines Sofas balancierte. Inmitten von dem, was einmal eine Familie gewesen war, stand das schwarz lackierte Aluminiumgestell, das die Glasplatte meines Couchtisches getragen hatte. Auf dem Boden dieses Gestängewürfels glänzte zwischen Bergen aus Glas Bobbis silberner Laptop, aufgeklappt, eines der Scharniere war offenbar zerbrochen. Weiter hinten im Zimmer, vor der offenstehenden Tür, die zum Bad führte, lag – wie ein abgeschossenes Entenweibchen – die Louis-Vuitton-Tasche, um sie herum die Tuben und Tiegel, die Kondome und das Klistier.
«Joy ist die Geschäftsführerin eines der Studios, für die ich arbeite», sagte Bobbi munterer, als sie normalerweise klang. Als niemand reagierte, fügte sie hinzu: «Sollen wir dann mal?»
Ihr Bruder stand auf, als hätte man ihm einen Stromstoß versetzt, anstatt größer, wurde er breiter. Er machte zwei wütende Schritte auf mich zu und berührte mit seinem platten Raviolizinken fast meine Nase.
«Wenn du ein Mann wärst», sagte er mit einem Atem, der nach Süßkartoffeln und Tintenfisch roch, «würde ich dich jetzt
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