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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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Sporttasche in der Hand steigt er die Treppe hinunter und geht ins öde Wohnzimmer. Er stellt die Tasche auf einen der ledernen Schalensessel und lässt sich auf die purpurfarbene Couch fallen, steht wieder auf und geht vor einem Eichenschränkchen mit Türen aus geschliffenem Glas in die Hocke; in einem Fach stehen Gläser, im hölzernen Gehäuse Spirituosen. Er nimmt eine angebrochene Flasche Jim Beam heraus, gießt einen altmodischen Tumbler voll und legt sich mit Flasche und Glas auf die Couch. Er trinkt mit geschlossenen Augen. Und jetzt? Was soll er tun? Seine Überlegungen, so wird ihm klar, sind über diesen Punkt nie hinausgegangen, unbewusst hat er sich all die Wochen auf dem Aschekegel eines glücklichen Ausgangs verschanzt. Diese Dimension wurde pulverisiert, annulliert, zurückgezogen: Er ist ein flatlander , seine neue Realität ist platt und hoffnungslos. Jetzt, da er definitiv weiß, dass seine Tochter und ihr Freund eine … das Wort «Porno» will er nicht, nein, kann er nicht aussprechen, es ist zu infam, das Wort macht ihn unermesslich traurig. Er will es auseinanderreißen und jeden Buchstaben einzeln verbrennen, die Asche auf fünf verschiedenen Kontinenten verstreuen. Um zu verhindern, dass er den Tumbler auf den Fernsehschirm schleudert, gießt er ihn wieder voll. Über dem Gerät hängt ein großes Gemälde, eine Landschaft in kräftigem Pinselduktus, aus der artothek. Irgendetwas muss zerstört werden. Whisky draufschütten – in Gedanken sieht er, wie der Tumbler in Scherben geht, der Alkohol die Farbe auflöst. Einmal hat er den Fuß in einen Sexshop gesetzt, einen von diesen Schuppen mit abgeklebten Scheiben, der kein Tageslicht verträgt. Leih doch mal so einen Film, ein Vorschlag von Tineke, nein, von einer Freundin von Tineke. Ihr solltet euch mal so einen Film leihen. «Wieso sprichst du über unser Sexualleben?» «Haben wir ein Sexualleben, Siem?» Gut, er also hin. Aber was für ein Elend. In so einen zugekleisterten, den Blicken entzogenen Laden überhaupt erst reinzugehen. Alles, was ihn ausmacht, wehrt sich dagegen, einen Schuppen zu betreten, auf dessen Tür eine nackte Frau gemalt ist. Aber er tut es. Kaum ist er drinnen, plagt ihn die Vorstellung, auch wieder hinauszumüssen. Der Geruch von Videokassetten aus Plastik, von Männerschweiß, Teppichboden. Der Geruch von Sperma . Die Assel hinter ihrer Spermatheke. Die ausgestellten Videos, die Plastikpimmel, die Männer, die wie Bockkäfer aus den Kabinen kriechen. Das Suchen , was für einen Film , schnell, entscheide dich, mein Gott. Und während er da steht, ein Bockkäfer unter Bockkäfern, täppisch, unglücklich, geil, kommt ein Kerl in den Laden, ein Regenmantel. Legt einen Stapel Videos auf die Theke, murmelt: «Verspätet.» Aus den Augenwinkeln sieht er, dass die Assel sie zurücknimmt und mit hektischen Bewegungen auf einen Taschenrechner einhackt. «Das macht dann eintausenddreiundvierzig Gulden und dreißig Cent.» Ein einziges Mal geht er in so einen Laden, und dann passiert das. Der Regenmantel kramt in seinen Taschen, blättert elf Hunderter auf die Theke und verschwindet. Das ist Porno, Joni.
    Der Whisky zieht in der Speiseröhre Furchen. Er muss zusehen, dass er auf ein paar Fragen in der richtigen Reihenfolge eine Antwort findet. Wie schlimm ist es? Fang mal damit an. Wie schlimm ist es, dass deine Tochter sich prostituiert? Er muss den Schaden taxieren. Wie schlimm ist es, was seine Tochter tut? Und ist es Prostitution? Ja, er findet schon – und sofort wird er von Empörung übermannt: Joni, mit ihrer Intelligenz, mit ihren Möglichkeiten. Deine Tochter verkauft Close-ups ihrer Genitalien im Internet. Es ist eine Katastrophe. Sie ist ruiniert. Er ist ruiniert.
    Mehr Jim Beam, der Schluck gleitet in ihn wie ein Degen, beruhige dich. Die Flasche hat er selbst aus Shanghai mitgebracht – ihm wird bewusst, dass er noch keine Sekunde an Aaron gedacht hat, welchen Anteil hat er wohl an der Sache? Er befindet sich in Aarons Haus, es ist sein Dachboden, sein Computer, seine Fotoausrüstung. Zwang? Er schnellt nach vorn, packt einen der Badmintonschläger und knallt ihn auf die Tischkante. Zwingt er sie dazu? Nein – er kennt die beiden zu gut, als dass er das glauben könnte, es ist ausgeschlossen. Joni lässt sich nicht zwingen, sie ist zu stark, zu dominant. Der fleischgewordene freie Wille. Aaron buckelt – zu seinem eigenen Erstaunen denkt er das. Jetzt erst erfüllt ihn seine Besorgnis mit Abscheu. Als er

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