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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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Joni nach – wie es ihr in dieser riesigen Stadt gehen mochte, was sie in dieser Frisbee-Fabrik wohl genau machte, was für Freunde sie hatte, wie ihre Wohnung eingerichtet war, kurzum: Wie sah ihr gegenwärtiges Leben aus? Was er seit dem Jahr 2000 aus Selbstschutz nicht mehr getan hatte, das tat er jetzt: Er suchte nach ihr im Internet. Er gab ihren Namen in drei verschiedene Suchmaschinen ein, drehte das ganze Web auf links, fand aber enttäuschend wenig. Auf einigen alten Tubantia -Seiten, die er noch von früher kannte, wurde sie erwähnt, ebenso auf archivierten Seiten ihrer Studentenverbindung. Er fand ein paar PDFs von McKinsey-Gutachten für Firmen wie eBay und IBM, die sie mitverfasst hatte. Doch das stammte alles aus den Jahren 2001 und 2002. Sie war nicht bei Facebook. Sie hatte keinen LinkedIn-Account. Allerdings handelte eine Joni Sigerius auf eBay, hauptsächlich mit Kleidern und Schuhen, von denen er einige zu erkennen glaubte, die Fotos davon stellte er auf seinen Desktop. Die andere mehr oder weniger «aktuelle» Joni Sigerius kam auf der ellenlangen Mitgliederliste eines Inline-Skate-Clubs in Santa Monica vor – das war’s.
    Ziemlich merkwürdig. Man musste sich heutzutage mit Blei wappnen, um nicht im Netz zu landen, selbst ein Einsiedler wie er hatte eine eigene Website. Für jemanden wie Joni schien ihm das fast bizarr. Sie war versessen aufs Internet gewesen, hatte sich selbst mal für eine Pionierin gehalten, und war sie das nicht auch?
    Dass sie durch Abwesenheit glänzte, nährte seine Phantasie. Sagte das etwas über das Fahrwasser aus, in das sie geraten war? Mit dem Job in der Frisbee-Fabrik hatte es offensichtlich nicht viel auf sich, offenbar war ihre aufwärtsstrebende Karriere aus irgendwelchen Gründen in eine Sackgasse gemündet. Er sah sie da sitzen, halbtags in der Buchhaltung. Vielleicht war das schade, vielleicht auch nicht.
    So entstand in seinem Kopf allmählich das Bild einer Joni, die genau wie er – wenn auch auf ihre eigene, ungestüme Weise – die Richtung verloren hatte; nicht ohne jede Schadenfreude stellte er sich vor, dass sie mit Stol gerade einen nervenzehrenden Scheidungskrieg austrug und nun, mittellos und beruflich aus der Bahn geworfen, in einem zugigen Stadtteil von Los Angeles auf den Scherben hockte, möglicherweise auch noch mit ein paar vaterlos aufwachsenden Kindern. Andererseits müsste sie, genau wie er, noch Geld aus der Zeit ihrer Website haben, und wenn nicht, dann von der Barbara Ann, aber wer weiß, vielleicht hatte sie alles auf den Kopf gehauen. Nicht jeder beerdigt sich selbst, bevor er den Löffel abgibt. Wahrscheinlich hatte sie in San Francisco auf großem Fuß gelebt, in die falschen Internetunternehmen investiert, Millionen an der Wallstreet verzockt –
    Oder lebte sie doch mit jemandem zusammen? Vielleicht hatte sie ja den Nachnamen ihres Mannes angenommen. Er las zum soundsovielten Mal ihre E-Mails, aber abgesehen von diesem Stol sprach sie mit keinem Wort von Männern.
    Er hatte sich dumm verhalten. Einfach nur dumm . In der Nacht war er aus einem Albtraum hochgeschreckt, der in einem entstellten Enschede spielte. Am Anfang des beklemmenden Szenarios war Wilbert sein Bruder, und sie wohnten zusammen in einem kleinen Apartment, irgendwo, er hatte keine Ahnung, warum, aber schon bald war er zu Wilbert geworden, und er fuhr mit einem Motorrad über lange, einsame Waldwege, bis er schließlich zu einer Beerdigung in Venlo gelangte, irgendwie so was, er hatte es bereits wieder vergessen. Leider war er sofort aufgestanden und hatte sich schlaftrunken an den Computer gesetzt. Hemmungslos hatte er Joni eine E-Mail geschickt, in der er ausgerechnet von diesem Traum erzählte. «Hast du irgendwann noch mal was von Wilbert gehört?», hatte er gefragt und am Ende einen halben Verdacht geäußert: «Bist du damals noch bei ihm gewesen? Bestimmt.»
    Am Morgen hatte er dann versucht, den Schaden wiedergutzumachen. Noch vor dem Frühstück, in Los Angeles war es erst halb drei in der Nacht, schickte er Joni eine E-Mail, die ihm in diesem Moment ungezwungen zu klingen schien, auch den Ton fand er gut. «Hallo, Ex, hier in Linkebeek hat der Frühling begonnen, das ist kein Dorf, sondern ein Wald aus Trauerweiden. Bei dir gibt’s doch sicher ein paar Palmen, oder? Schick mir bitte eine Kokosnuss, dann stecke ich sie hier in die Erde.» Und vielleicht war das ja tatsächlich ungezwungen, doch zwei Stunden später schickte er etwas bedeutend

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