Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)
1
Das regelmäßige Schaben von Metall auf Stein erfüllt den Hof, als er die Messer schärft. Die Klinge gibt ein zitterndes Kreischen von sich, das mir durch und durch geht. Es ist November, und heute ist der Tag, an dem wir das Schwein schlachten werden.
Ich bin im Haus, beuge mich über die Herdstelle und lege kleine trockene Ulmenholzstücke und Baumrinde auf die Glut. Sie entzünden sich, und bald fängt das Feuer an zu flackern. Ein warmer Pilzgeruch steigt auf, und aus den Holzscheiten quellen Blasen aus Saft und Harz. Die Flammen knistern und prasseln, und farbige Strahlen schießen nach oben. Eine Säule aus dichtem Rauch steigt rasch den Schornstein hinauf und ergießt sich in den Himmel wie eine graue Flüssigkeit in Milch. Ich hänge den Blasebalg wieder ein und richte mich auf. Feuer gibt mir ein gutes Gefühl. Wenn ich Dinge zu Asche und zu Nichts verbrenne, habe ich meine Ziele klarer vor Augen.
Als ich mich umdrehe, sehe ich, dass die Küche voller Rauch ist. Außer Atem hetzt meine Mutter zwischen dem auf Böcken stehenden Tisch und der Feuerstelle hin und her. Auf ihren Wangenknochen erscheinen zwei rote Flecken. Dieses Feuer muss in glühenden Flammen lodern, den heißesten des Jahres. Es muss das Wasser in den großen, bis zum Rand gefüllten Töpfen, mit dem die Haut des Schweines abgebrüht wird, zum Kochen bringen. Später werden in diesen Töpfen Gerste und Blut köcheln, bevor der Brei aus Fett, Blut und Gerste in die ausgewaschenen Därme gefüllt wird und die Würste säuberlich im Wasserkessel garen. Ich gehe zur Tür und trete hinaus auf den Hof, um mehr Holz zu holen.
Noch ist es nicht so kalt, dass es einem den Atem verschlägt, aber ich spüre schon die Kühle. Martini ist nicht mehr fern, doch bis jetzt hat es noch nicht gefroren wie sonst in den meisten Jahren. Mein Atem schwebt als kleine weiße Wolke vor mir her. Eine tief stehende Sonne ist über dem Tal aufgegangen und treibt dünne Schatten über den Fahrweg. Die feuchte Luft riecht nach modrigem Laub und Mist und dem Rauch aus dem Kamin. Ich kann das raue Krächzen der Saatkrähen über den Buchen auf dem Hügel hören. Und neben der Hintertür wetzt mein Bruder die Klingen, er streicht das Metall über den Wetzstein, weg von seinem Körper. Als ich über den Hof zum Holzstoß gehe, sehe ich, wie das Messer beim Schleifen den Schein der orangefarbenen Sonne einfängt, ein scharfer Blitz aus blendendem Licht.
Während ich Holzscheite und Äste vor meiner Brust auf meine Arme häufe, flüstere ich in den Holzstapel: »Ich heiße Agnes.
Ich lebe in einem kleinen Haus am Rand der Gemeinde Washington am Fuße der Downs, wo der Sandboden in Lehm übergeht. Der Fahrweg, der an unserem Cottage vorbeiführt, ist schmal und schlammig und wird milchig weiß, wenn der Regen von den Hügeln herunterfließt. Der steile Abhang über uns ist dicht bewaldet, bis hinauf zu den offenen Kreideflächen, wo die Schafe grasen. Die Familie meines Vaters lebt schon seit Jahren in Sussex. Ich bin siebzehn, wir sind ziemlich oft hungrig, und ich webe den halben Tag lang Tuch, mit dem gehandelt wird. In der übrigen Zeit mache ich das, was Mädchen so tun: Ich rühre in Töpfen, füttere die Hühner, tätschele den kleinen Kindern den Rücken, koche Seife, trage eben mein Scherflein bei …«
Sein Messer hat innegehalten. Es liegt eine Unsicherheit in der Luft, die nicht zu dem passt, was ich sage. Ich höre auf zu flüstern und balanciere den Armvoll Holzscheite, die bis zu meiner Schulter gestapelt sind, ins Haus.
Überall auf dem Lehmboden in der Küche stehen die Töpfe, die wir uns vor einigen Tagen bei Mrs. Mellin ausgeliehen haben. Wir säubern sie mit kochendem Wasser. Meine Mutter zählt Zwiebeln und Schalotten ab, die klein gehackt werden müssen. Sie greift nach dem Salztopf auf dem Kaminsims.
»Mutter! Hester weint«, rufe ich ihr über den Trubel der Kinder hinweg zu, als wäre sie taub. Sie wendet sich vom Herd ab und geht geduckt durch die niedrige Tür ins Hinterzimmer, beugt ihren großen, ungelenken Körper über das Rollbett und hebt Hester heraus. Ihr Rücken verdreht sich unter der Kleidung, als sie die Kleine auf ihrer Hüfte auf und ab hüpfen lässt, um sie zu beruhigen. Mit jedem neuen Kind, das kommt, nutzt sich ihre Geduld ein bisschen mehr ab.
Wir haben Schulden im Dorf. Mein Vater verdient weniger, seit die Enclosure-Bewegung begonnen hat und das bisher gemeinschaftlich genutzte Land von den Großgrundbesitzern
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