Bonita Avenue (German Edition)
sagt, was bedeutet diese Show dann noch? Was genau will ich Amerika sagen?
Ich drehte die Wasserhähne zu. Es war Q – ich hatte ihn nicht kommen hören –, der mir ein Handtuch brachte. Erneut fiel mir auf, wie sehr sein zerfurchtes Gesicht dem von Larry King ähnelte, allerdings ohne Brille.
«Aber stimmt es denn?», rief ich.
«Was?»
«Das mit dem Film natürlich.»
Ich hörte Bobbi kichern. «Ich dachte, ich mach schon mal ein bisschen Reklame. Natürlich stimmt es.»
Ich ging zu Q, der in einer Kunststoffbox kramte, die er auf den improvisierten Frisiertisch gestellt hatte. «Und wie ist es dazu gekommen?»
Während Bobbi erzählte, sie habe vor einigen Monaten über MySpace eine Nachricht von jemandem erhalten, der sich als Steven Soderbergh ausgab, und zwar nicht nur eine Nachricht, sondern vier, wie sich später herausstellte, weil er tatsächlich Steven Soderbergh war, zog Q eine Art ledernen Harnisch über meine Hüften. Eine Woche später hatte sie «Steve» am Telefon gehabt, er kenne ihre Arbeit, so drückte er sich aus, er habe den Artikel im Los Angeles Magazine gelesen. Steve suchte jemanden für ein neues Projekt, einen Film über ein Luxuscallgirl in Manhattan. Er wollte sie nicht für eine Nebenrolle haben, wie sie zuerst gedacht hatte, es ging um den Hauptgewinn. Sie war die Erste gewesen, auf die er gekommen war. Sie glaubte ihm nicht. Am Tag darauf hatten sie sich zum Kaffeetrinken im Zoo von Los Angeles getroffen, und obwohl der Mann dem Regisseur Steven Soderbergh zum Verwechseln ähnlich sah, glaubte sie es noch immer nicht. Geplant war, dass mit dem Film das Berliner Filmfestival im Februar eröffnet werden sollte.
Q ging mit knackenden Knien vor mir in die Hocke und schnallte die Riemchen an meiner Taille und meinen Oberschenkeln fest. Mit dem Gesicht eines Totengräbers nahm er einen grünen Penis aus Hartgummi aus der Kiste und schraubte ihn in Höhe meines Venushügels in eine Aussparung des Hüfthalters.
«Vorgestern stand es übrigens in Newsweek .»
«Wusstest du das schon vor Tyra?»
Sie sah mich mit leicht spöttischem Ausdruck an. «Sonst hätte ich es doch nicht erzählen können?»
«Das ist mir klar. Ich meine: vor dem Vorgespräch. Hast du mit Absicht nichts gesagt?»
«Genau, ich hab mit Absicht nichts gesagt.»
Jemand klopfte an die schwere Stahltür, und gleich danach schwang sie auf. Ein schlanker Farbiger in einem glänzend hellblauen Hemd trat ein.
«Die Damen, mein Herr.»
«Hi, Ralph», sagte Bobbi.
«Weil du gewusst hast, du würdest deine Chance kriegen», sagte ich.
«Die Leute brannten nur darauf, mir zu sagen, dass ich mir meine Zukunft versaut habe. Sie brannten darauf. Seit der ersten Minute da auf dem Sofa hatte ich den Finger am Abzug.» Sie streckte den Arm aus, die Hand eine Pistole. «Peng! Genau zwischen Tyras Augen.»
Ralph ging zum Schminktisch und legte ein braunes Lederköfferchen darauf ab. Er packte meinen Gummipenis und zog mich mit geschürzten Lippen und geschlossenen Augen an sich. Ich gab ihm einen Kuss. Erst dann öffnete er den Koffer und holte Pinsel, Kajalstifte und ovale Make-up-Döschen hervor.
«Und ist es eine ernsthafte Rolle?», fragte ich.
«Soderbergh?», sagte Bobbi, für ihre Verhältnisse ziemlich scharf. «Natürlich ist es eine ernsthafte Rolle. Ich hab das Drehbuch gelesen – sehr subtil.» Sie nahm Kristins A4-Seite, die vor ihr lag, zwischen Daumen und Zeigefinger und hielt sie hoch. «Nicht so subtil wie das hier natürlich», sagte sie und lächelte.
Der Set war ein Termitenhügel, alle waren in Bewegung – nur nicht Bobbi. Von der Halle aus konnte ich sie sehen, auf Knien quer auf einem Bett, einem Eisenbett, das so aussah, als müsste Oliver Twist in dieser Nacht auf dem Boden schlafen. Vince, über sie gebeugt, war dabei, sie mit einem meterlangen, stabilgeschlagenen Seil zu fesseln. Bobbis Arme waren auf ihrem Rücken fest zusammengebunden, das Seil schlang sich um ihren Rumpf und schnitt in ihre Brüste, die aus der roten Bluse mit Puffärmelchen heraushingen. Sie trug adrette Peeptoes aus besticktem Leinen, Schuhe mit einem hohen Keilabsatz aus Kork und kreuzweise um ihre Unterschenkel gewundenen Bändern. Ihre zerbrechlichen, abgeschnürten Handgelenke wurden von einem Strick in die Höhe gezogen, der durch einen Ring in der Decke lief.
Um das Waisenhausbett kreisten zwei Kameramänner und eine Fotografin. Kristin prüfte auf einem Laptop den bird’s eye view einer Kamera auf einem
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