Bonita Avenue (German Edition)
nichts erklärt. Ich war einfach gegangen; eine Reihe von Ausflüchten hatte ich ihm später telefonisch mitgeteilt. Nach zweieinhalb Jahren bemützt und geschützt in seinem Adlerhorst auf dem Hügel, der Kleine schon im Bett, war ich kommentarlos abgehauen.)
Seine zweite SMS traf mich wie eine Kugel: «Aaron Bever hat hier angerufen. Was soll das? Bitte beratschlagen.» Mit einem Ruck zog ich meine Hand aus der von Bobbi und schlug sie mir vor den Mund. Erschrocken sah sie mich an.
«Ist was, Schätzchen?»
«Nein, nichts …», stotterte ich, «entschuldige, mir fiel nur gerade was ein.»
«Was denn, Schätzchen?» Sie gab mir einen Kuss auf die Schulter und tastete nach meiner Hand.
«Ich glaube, ich habe … die Gartentür offen gelassen.» War Aaron in Amerika? War er auf dem Weg zu Boudewijn und Mike?
«Bestimmt nicht», sagte Bobbi. «Aber wenn deine Bude leergeräumt ist, kannst du jederzeit bei mir übernachten.» Sie kuschelte ihren Kopf wieder an meine Schulter. Ich schaute aus dem Fenster, am Horizont sah ich die Watts Towers, zwei schwarze Zipfelmützen, errichtet aus Alteisen und Müll. Ich tippte die Nummer meiner Mailbox ins Handy und presste das Telefon so fest wie möglich an das von den anderen am weitesten entfernte Ohr. Warum hatte ich meine Familie gegen diese Leute hier eingetauscht? Du und deine Intuition, daran scheitern alle Entscheidungsmodelle von McKinsey.
Boudewijn sprach zu mir von der Festplatte meines Providers, er war der Einzige, der noch Niederländisch mit mir sprach. Ich musste mich anstrengen, um zu verstehen, was er gesagt hatte: Vince hatte angefangen, Fragen von Kristin und Rusty zu beantworten, die wissen wollten, ob er vorhabe, nach Los Angeles zu ziehen. «Joni», sagte Boudewijn, «hier geht etwas total schief. Bever hat mit Mike am Telefon gesprochen.»
Bobbi hielt immer noch meine Hand, ich spürte ihren erstaunten Blick, als ich kräftig zudrückte. «Haben sie alles mitgehen lassen?», fragte sie.
«Weißt du was darüber?», fuhr Boudewijn fort. «Er hat Mike deine Adresse in Los Angeles entlockt. Was hat dieser Bever vor? Ruf mich an, verdammt.»
18
Bevor er sich in dem harten Einzelbett schlafen legt, sucht er in seiner Laptoptasche nach der CD-ROM mit den Fotos von der Website. Er findet die Scheibe, mit der er sich im Frühjahr, als er in Shanghai war, noch selbst hinters Licht führen konnte. Gegen Trübsal und Selbstzensur ankämpfend, wählt er fünf Bilder aus und mailt sie mit saurem Geschmack im Mund an Tineke, wie vereinbart an die Hotmail-Adresse, die er irgendwann einmal für sie beide eingerichtet hat, die sie aber nie verwenden.
Am nächsten Morgen herrscht im Ministerium Bestürzung über einen Beitrag in Buitenhof , dem TV-Politmagazin, das er am Sonntag verpasst hat, einen Bericht über die mit dem Wort «Studienhaus» umschriebene Schulreform, in dem er – jetzt schon – als Wendehals bezeichnet wurde: Er mache eine Politik, gegen die er als Rector magnificus ausgiebig agitiert habe. Das stimmt. Nachdem er und sein Sprecher die Strategie festgelegt haben und er wieder allein in seinem Büro ist, ruft er bei MeesPierson an. Sein private banker ist ihm mit der gewohnten Diskretion zu Diensten. Die Nennung des Betrags – «Michiel, hör zu, ich brauche morgen Hunderttausend, in bar» – klingt kriminell, als wollte er damit in Kandahar Sprengstoff kaufen, um die Amtswohnung des niederländischen Ministerpräsidenten in die Luft zu sprengen. Er bestimmt eine Filiale in Den Haag, in der er am nächsten Morgen um halb neun das Geld abholen kann. «Leider muss ich Ihnen noch ein paar neugierige Fragen stellen», sagt der Bankangestellte.
«Nämlich?»
«Das Gesetz, Herr Sigerius. Ich muss diese Auszahlung als ungewöhnliche Transaktion klassifizieren.»
Offenbar gibt es ein Formular, das in solchen Fällen an eine nationale Meldestelle geschickt werden muss. Er fragt, ob er deswegen morgen noch einmal anrufen könne, er müsse auf der Stelle weg.
Als er am Abend von einem offiziellen Essen mit dem Kulturrat zurückkommt, ruft Janis an. Einen Moment lang ist er besorgt: Es wird doch nicht um die Fotos gehen? Zuerst reden sie ein wenig über den Fernsehbericht, auf den sie von verschiedenen Leuten angesprochen wurde, dann sagt sie, sie ruft an, weil Tineke und sie schon eine Woche früher nach Val-d’Isère reisen würden, sie sei bereits bei ihrer Mutter im Bauernhaus, morgen früh führen sie los, nicht mit dem Audi, sondern
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