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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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versuchte, die gläserne Tür zur Seite zu schieben, das ging nur mit Mühe, das Schmieröl schien durch den Frost zäh geworden. Nein, nun mach mal halblang, du darfst ihn nicht als Mörder bezeichnen … Mit jedem Schritt im Schnee versinkend, ging er zu dem Körper hin, stellte sich unmittelbar daneben und schaute. Du darfst ihn nicht töten, aber du darfst ihn auch nicht verunglimpfen, er ist nie wegen Mordes verurteilt worden … Blut war durch die Jacke gesickert, der Schnee unter der linken Seite war zusammengepresst und braun. Totschlag, fünfzehn hysterische Schläge, fünfzehn Todesschläge innerhalb einer Minute, aber Mord war es nicht, du musst genau sein. Du selbst bist der Mörder in der Familie, du hast ihn ermordet … War er überhaupt tot? Er atmete ein, hielt die kalte Luft in den Lungen an, tippte mit der rundlichen Spitze seines Wanderschuhs gegen die rechte Schulter, erst vorsichtig, dann kräftiger. Keine Reaktion. Er verpasste ihm einen Tritt gegen den Oberschenkel. Seine Knie knackten, als er in die Hocke ging. Er holte tief Atem und rammte die Spitze des Messers in die ausgestreckte Hand.
     
    Er steigt aus dem Auto. Das Zuschlagen der Tür hallt durch die Froststille des Waldes rings um ihn herum. Er öffnet den Kofferraum, kann sich einen Augenblick lang nicht zwischen dem Rucksack und dem Zeltsack entscheiden und zieht dann mit viel Mühe den Zeltsack heraus. Er klemmt ihn sich unter den rechten Arm und schließt den Wagen ab. Der Leinenstoff ist eiskalt, doch er weiß, dass es taut, draußen, aber auch in seinem Kopf: Es verändert sich etwas dort oben; was er den ganzen Morgen und tatsächlich auch die ganze Nacht über gekonnt hat – eiskalt argumentieren und anschließend auch eiskalt handeln –, kostet ihn immer größere Anstrengung. Er schaut sich noch einmal um und geht, den Sack an die Brust drückend, in den Wald. Er kommt nur mühsam voran, es gibt keinen Weg, und manchmal muss er sich zwischen widerspenstigen Ästen hindurchzwängen. Der Schnee, der hier liegt, ist dünn und hart, ständig stolpert er über Wurzeln, seine derbe Skijacke bleibt an struppigem Buschwerk hängen. Vögel sind nicht zu hören. Zerbrechende Zweige und Nadeln unter seinen Wanderschuhen, manchmal das Rascheln unsichtbaren Getiers, aber vor allem: sein eigenes Gekeuche. Die dreißig, vielleicht vierzig Kilo in seinen Armen wollen nach unten, er hält den Sack sehr ungeschickt – eine Katastrophe ist das. Und wieder denkt er an das Gesicht, seine Hände beginnen zu schwitzen, er muss anhalten. Dräng es beiseite mit etwas anderem Schrecklichen. Der Ellbogen, denk an das Knacken, an den Widerstand des Gelenks; überstreckte, sich widersetzende Zellen, der Augenblick der Kapitulation, das Knacksen . Und geh endlich weiter.
    Es fehlte verdammt noch mal wenig, und er wäre einfach weggefahren. Nachdem er sich sicher war, dass Wilbert nicht mehr lebte, hatte er sich umgedreht, die Skier aus der Waschküche geholt und ins Auto gelegt. Ich lass ihn einfach liegen, er ist gestorben, wie er gestorben ist. Von einem Moment auf den anderen war er von Testosteron durchflutet, er empfand einen Siegesrausch, der ihm beinahe Angst vor sich selber machte. Ich sage einfach, ich hätte geschlafen. So wie jeder normale Mensch lag ich nachts in meinem Bett, und während ich schlief, ist dieses Arschloch erfroren – so ist das. Betrunkene erfrieren nur, wenn niemand sie sieht. Und am Morgen bin ich aufgestanden, und in den Skiurlaub gefahren. Ich habe nichts gesehen, so einfach ist das. Die Fußbodenheizung und die Heizkörper hatte er bereits heruntergedreht, und er war schon dabei, die Lampen auszumachen, als ihm bewusst wurde, dass es überhaupt nicht so einfach war. Es gibt wirklich nichts Einfaches an einer Leiche im eigenen Garten. Wieso hatte er Wilbert dort nicht liegen gesehen? Die Fußspuren auf der Terrasse – im Schnee waren jede Menge Fußspuren zur Leiche hin und wieder zurück, seine Fußspuren. Und auch wenn die Möglichkeit bestand, dass der Schnee rechtzeitig schmolz, der Schuft schmolz nicht. Nie.
    Todmüde und verzweifelt hatte er sich bäuchlings aufs Sofa gelegt. Er musste nur die Augen schließen, um vor sich zu sehen, wie er auf der Skipiste von der Kriminalpolizei angerufen würde: Wir haben sterbliche Überreste in Ihrem Garten gefunden. Wie rotweiße Flatterbänder um ihr Bauernhaus gespannt wären, wenn sie nach einer beklemmenden Autofahrt zu Hause einträfen. Er bekam Schüttelfrost,

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