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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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als hätte er Fieber, zitterte vor etwas: Erschöpfung, Trauer, Angst .
    Ja, er fürchtete sich. Von dem Impuls, mit Vollgas davonzubrausen, verfiel er ins andere Extrem: Anzeige erstatten. Um den Schaden zu begrenzen, musste er zur Polizei, augenblicklich. Zum Polizeipräsidium in Enschede, eine akzeptable Version der Ereignisse zu Protokoll geben. Ich habe meinen kriminellen Sohn dabei erwischt, wie er in mein Haus eingebrochen ist, es gab ein Handgemenge, einen Kampf auf Leben und Tod, und danach ist er abgehauen. Und gerade eben, heute Morgen, will ich in Skiurlaub fahren, und da liegt er: auf meiner Terrasse, unter dem Schnee, tot, erfroren. Etwa eine Minute lang fand er diese Geschichte logisch, plausibel. Er stand im Wohnzimmer mit dem Telefon in der Hand und hatte die Nummer bereits eingetippt, als er dachte: Aber warum hast du nicht sofort angerufen? Du wolltest in Skiurlaub fahren? Nach einem solchen Kampf? Warum hast du die Polizei nicht sofort angerufen? Inzwischen sind Stunden vergangen – warum rufen Sie erst jetzt an? Das ist die erste Frage, die man ihm stellen wird, eine Frage, die geradezu danach schreit, gestellt zu werden. Und was sollte er darauf antworten?
    Während er halb betäubt auf dem Sofa lag, schreckte ihn ein leises Motorgeräusch auf. Ein Mofa? Das Mofa des Zeitungsboten – es kam näher, hielt an, beschleunigte wieder und verschwand. War es bereits so spät? In wenigen Stunden stand die Welt auf, in wenigen Stunden standen seine Nachbarn auf . Die Tochter der Familie Teeuwen kümmerte sich um die Katzen, sie würde kommen, um sie zu versorgen. Er sah sie schon in seinem Garten stehen, entsetzt, die Hand vor dem Mund.
    Die Leiche muss da weg. Schnell atmend stand er auf und zog in der Waschküche den Dufflecoat von vor ein paar Wintern an und steckte die Hände in ein Paar Wollhandschuhe. Die sternlose Kälte biss sich in seinem Gesicht fest. Ohne einen Blick auf die Leiche zu werfen, ging er an ihr vorbei, hinein in die knirschende Finsternis des etwas tiefer gelegenen Gartens. Er verwünschte den Schnee, in dem seine Wanderschuhe einsanken, verflucht, wie er war, da er Spuren hinterließ. Am Ende des weißen Gartens rutschte er aus und stieß mit dem Knie gegen den schweren Tisch auf der Terrasse neben der Werkstatt. Indem er danach tastete, fand er das breite Hängeschloss am hölzernen Tor, er schloss es auf und suchte nach einem Schalter. Sein Blick schweifte durch den plötzlich hell erleuchteten Raum: Sägemehlinseln auf dem Beton, das professionelle Werkzeug an den gelochten Wandpaneelen, die den Frost gleichgültig ertragenden Maschinen. Hinter der Furnierpresse konnte er die Leiche ablegen.
    Unter Zuhilfenahme der tragbaren Neonlampe ging er zurück, folgte zähneklappernd der eigenen Spur, die sich dunkel vom sanft aufleuchtenden Schnee abhob, und hockte sich neben dem Körper hin. Schon jetzt verschwand das Gefühl aus seinen Zehen, offenbar waren es die kältesten Stunden der Nacht. Das Gesicht wirkte im Licht der Außenlampe unecht, es hatte die Farbe von Zeitungspapier, das Blut unter der Nase war schwarz.
    Niemals schleifen. Krimis im Fernsehen machen ihn immer ganz nervös, Rekonstruktionen von Morden und Vergewaltigungen, er kann das nicht ertragen, trotzdem hat er irgendwo aufgeschnappt, dass Schleifspuren die schlimmsten sind. Er platzierte seine Füße quer vor dem Körper und ging in die Hocke. Rumgeruch und etwas Muffiges – er überwand seinen Widerwillen, schob einen Arm unter die Schultern, den anderen unter die Oberschenkel. Nasse Kälte drang durch die Wolle seiner Handschuhe. Er versuchte, sich aufzurichten, ein heftiger Schmerz zuckte durch seinen malträtierten Brustkorb. Das Gewicht löste sich vom Schnee, verhielt sich aber anders, als er es erwartet hatte: Anstatt in den Kniekehlen und in der Taille nachzugeben – wie bei einer schlafenden kleinen Tochter, die man vom Rücksitz des Autos ins Haus trägt, die Treppe hinauf, und dann ins Bett legt –, widersetzte der Körper sich der Schwerkraft wie eine Bahnschwelle. Der Schwerpunkt befand sich an einer merkwürdigen Stelle, er hatte sich vollkommen verschätzt, die stocksteifen Beine kippten in Richtung Boden; um nicht auszurutschen und hinzufallen, musste er zurück in die Hocke, die Fersen der Leiche landeten dumpf im Schnee, er selbst stürzte doch noch nach vorn und fiel mit den Knien auf die Lederjacke. Es fühlte sich hart darunter an, als prallte er auf einen Flussstein.
    Der zweite

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