Bonita Avenue (German Edition)
einem popeligen Golf überholt wurden, in dem ein auf den ersten Blick ganz normales Paar saß. Er auf dem Beifahrersitz erschrak zu Tode und Stol sogar noch mehr, denn er trat nicht nur in die Eisen, sondern hupte auch noch drauflos. Letzteres kam wohl nicht besonders gut an, denn der Golf verlangsamte seine Fahrt, bis er auf gleicher Höhe mit Stols BMW war. Sie sahen, wie das rechte Seitenfenster heruntergelassen wurde, eine blondierte Frau wand sich, etwa bis zur Taille, nach draußen und warf ihnen eine Tüte Pommes auf die Windschutzscheibe. «Das ist doch unglaublich», sagte Sigerius. «Wir haben auf dem Standstreifen eine Viertelstunde lang Mayonnaise, Curryketchup und Zwiebeln mit unseren Taschentüchern von der Scheibe gewischt. Was ist da in der Randstad los?»
Janis lachte. «Dieser Bo scheint mir der Richtige für eine wilde Verfolgungsjagd zu sein», sagte Joni. «Bo?», fragte Tineke. «Boudewijn», erklärte Joni, «ich darf ihn Bo nennen.»
Aaron meinte durchzudrehen. Zum zweiten Mal in einer Woche stand er wegen dieses verdammten Stol wie ein Idiot da, und abgesehen davon, dass ihm das zum Hals raushing, ahnte er bereits, was ihm noch so blühte: Ganz zweifellos wartete Joni nur darauf, ihren Eltern haarklein erzählen zu können, wie er sich bei Vaessens Hochzeitsessen benommen hatte. Nichts lieber als das würde sie tun. Ihrer Ansicht nach hatte er sich gründlich blamiert, war er grob gewesen und hatte sich furchtbar aufgeführt, und obwohl er darüber anders dachte, würde es kein Kinderspiel werden, Joni hier am Tisch ins Hintertreffen zu bringen. Als er Sigerius sagen hörte, gegen solches «Gesindel» müsse, so sehe er es, hart vorgegangen werden, fiel ihm eine andere unglaubliche Geschichte ein, über eine vergleichbare Situation, in die sein Bruder einmal geraten war, und ehe er sich recht besonnen hatte, ergriff er auch schon das Wort. Weg mit diesem Bo. Schluss. Aus. Basta.
«Da kenne ich auch noch so eine Geschichte», hob er an und wartete dann kurz, bis alle vier ihn ansahen. «Als ich noch Niederländisch studiert habe, bin ich eine Zeitlang am Wochenende in Venlo Taxi gefahren …»
«Aber du bist doch nie Taxifahrer gewesen?», sagte Joni.
«Doch, für kurze Zeit», log er, mit festerer Stimme als vorhin. «Ein knappes Jahr.»
In Wirklichkeit war es sein zwei Jahre älterer Bruder Sebastiaan, der jahrelang samstags mit einem kleinen Taxibus durch Venlo gefahren war. Er aber erzählte nun, er selbst sei eines Samstagnachmittags auf einer zweispurigen Straße stadtauswärts in Richtung Tegelen, eines der südlich von Venlo gelegenen Maasdörfer, unterwegs gewesen, als ihm kurz vor der Abfahrt zum Krankenhaus beinahe jemand reingefahren sei. Ein roter Ford Escort mit schwarzen Spoilern wechselte kurz vor der Ampel mit quietschenden Reifen die Spur, der Wagen schoss haarscharf an seinem Taxibus vorüber und bretterte die Auffahrt zum Sint-Maarten-Krankenhaus hinauf. «Es fehlten nur Zentimeter, und er hätte mich vorn gerammt», sagte er. «Ich hupte also und schüttelte die Faust.»
An dieser Stelle berührte seine Anekdote die von Sigerius, und er sah, dass er dessen Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, und auch Joni hörte zu. Tineke bat Janis, ihr die Schüssel mit Blumenkohl zu reichen. «Und während ich also an der roten Ampel stehe», erzählte er weiter, «sehe ich, dass der Escort, anstatt auf den Parkplatz des Krankenhauses zu fahren, eine Wende von 180 Grad macht, dabei den Grünstreifen umpflügt und dann anhält. Die Tür geht auf, und ein etwa dreißigjähriger Mann steigt aus. Er wirft seine Zigarette weg und kommt auf meinen Wagen zu. Ich sehe sofort, dass es sich bei dem Kerl um Abschaum handelt. Er musste eine Strecke von etwa zwanzig Metern zurücklegen, und beim Gehen hatte er die ganze Zeit den Kopf im Nacken, sodass sein Kinn waagerecht nach vorne ragte. Er schaute mich über die Jochbeine an, die Zunge zwischen den unteren Zähnen und der Unterlippe. Ich starrte auf diese breite Zunge, einen weiß belegten Lappen. Fettiges, ölschwarzes Haar, Velourslederjacke, eine leuchtend rote Trainingshose, so eine von Kappa, wie sie die Spieler vom AC Mailand getragen haben, Gullit und van Basten.»
«Und Rijkaard», sagte Janis.
«Und Rijkaard», sagte er. Die Geschichte war ihm in Fleisch und Blut übergegangen, mindestens dreimal hatte er sie aus Sebastiaans Mund gehört, «komm, erzähl sie noch einmal», und noch öfter hatte er sie nacherzählt, er
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