Bonita Avenue (German Edition)
Fuchsteufelswild. Nicht wegen der kahlen und so weiter oder wegen des grünen Schleims an meinem Kopf, nein, nicht deswegen – na ja, deswegen auch. Wütend werde ich vor allem wegen des Fensters. Dieser Prolet hat mein Fenster kaputtgemacht.» Sein Schlafmangel sorgte dafür, dass er Sebastiaan war . «Ich sah mich schon vor de Zwart stehen, meinem Chef. Nicht gerade der Kulanteste. Überstunden gestrichen, so ein Typ war das. ‹Bever, das kannst du selbst bezahlen.› De Zwart fragt dich nicht, wie es dir nach einem solchen Vorfall geht. Der kürzt dein Gehalt. Verdammt, denke ich. Ich parke also meinen Bus gleich neben dem Escort und gehe ins Krankenhaus.»
Auf Sigerius’ Gesicht zeichnete sich ein verschwörerisches Lächeln ab, die Sauciere machte eine sichere Landung, endlich, mit der nun frei gewordenen Hand befingerte er sein missgebildetes Ich-zeig’s-dir-Ohr. «Du steigst dem Kerl also hinterher», sagte er. «Das ist gut, Mann.»
Die untergehende Abendsonne erwärmte das Treibhaus, in dem sie saßen, ließ ihre Gesichter glühen, schimmerte orangerot auf dem Besteck und in den Schüsseln, und Aaron beschrieb, auch sich selbst, dass es in diesem Krankenhaus rechts eine niedrige, langgestreckte Rezeption und links ein Selbstbedienungsrestaurant gab, das gut besucht war. «Ich konnte den Kerl nirgends sehen. An der Rezeption stand er nicht, vielleicht war er ins Foyer gegangen. Gerade als ich mich am Empfang erkundigen will, wo man den Herrn in der roten Trainingspantalon hingeschickt hat, da entdecke ich das Arschloch.»
«Hast du das so gesagt, ‹rote Trainingspantalon›?», fragte Sigerius.
«Natürlich nicht.» Joni.
Ohne sie anzusehen, machte Aaron mit der linken Hand eine Blabla-Geste. «Da steht er, in seinen Tretern, und wendet mir seinen Anabolikarücken zu, eingeklemmt zwischen allerlei anderem esslustigen Volk, und er schiebt ein Tablett an den Vitrinen des Selbstbedienungsdings entlang. Ich gehe zu ihm hin. Auf seinem Tablett stehen zwei Flaschen Heineken, beschlagene Halbliterpullen. Über den Rand eines zu kleinen Tellers ragen drei Hot Dogs. Aber ich rieche Schweiß und Pisse. Ich klopfe ihm auf die Schulter, er dreht den Kopf in meine Richtung, er ist ein Stück kleiner als ich, und von unten herauf schaut er mich an, als hätte er mich noch nie gesehen. Ich sage zu ihm: ‹Sie haben vorhin mein Seitenfenster kaputtgemacht. Wie regeln wir das?› Jetzt gucken sogar die Mitesser auf seiner Stirn erstaunt. ‹Ich?›, sagt er, ‹wie meinst du das?› ‹Vorhin, da draußen›, sage ich, ‹Sie sind der Fahrer des roten Escorts.› ‹Du verwechselst mich›, sagt er, ‹ich kenne dich nicht, ich war gerade bei meinem kranken Mütterlein.›»
«Sagte er ‹krankes Mütterlein›?» Sigerius riss seinen Mund weit auf, kniff seine braunen Augen zu zwei schmalen Schlitzen zusammen – er lachte ohne Laut.
«Hattest du keine Angst?», fragte Janis. «Du hättest doch einfach zurück in die Firma fahren und die Versicherung anrufen können.» Ungefähr dasselbe hatte Aaron damals auch zu seinem Bruder gesagt. Er war fasziniert gewesen, aber auch beunruhigt. Er hatte stellvertretend Angst gehabt.
Sigerius: «Er hätte sich auch in seinen Taxibus setzen und heulen oder um Hilfe rufen können. Aber manche Leute ergreifen, wenn es sein muss, die Initiative.» Hinter seinem dunklen, stoppeligen Gesicht, einem Gesicht, das nicht zu einem Rector magnificus passte, weil es nichts Feierliches an sich hatte, und das nicht zur Fields-Medaille passte, weil keine weltfremde Genialität davon abblätterte, und das schon gar nicht das Gesicht eines Wissenschaftsministers sein konnte, vollzog sich eine Phasenverschiebung: Man sah, wie sich Sigerius in den Mann verwandelte, für den dieser sinnliche, bäurische Kopf vor langer Zeit einmal bestimmt gewesen war. Einen Mann, der selbst zu jähzornigen, impulsiven Taten neigte, ja der ihm irgendwann genüsslich vom Restaurant in einem amerikanischen Schwimmbad erzählt hatte, wo er auf Janis und Joni warten musste, die jenseits einer großen Glasscheibe Schwimmunterricht erhielten. Er wollte einen Kaffee bestellen und versuchte dreimal, auf gesittete Weise die Aufmerksamkeit des Kellners zu erregen, der sich am anderen Ende des kleinen Gastraums mit zwei Müttern von schwimmenden Kindern unterhielt. Sigerius war ein Vater von schwimmenden Kindern, der in einem solchen Fall keinen vierten Versuch unternahm, sondern stattdessen über die Theke langte, das
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