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Bonjour Tristesse

Bonjour Tristesse

Titel: Bonjour Tristesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Françoise Sagan
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trollen kann — so ist es doch?«
    Der Ausruf meines Vaters und die
Ohrfeige von Anne erfolgten gleichzeitig. Hastig zog ich meinen Kopf aus der
Tür zurück. Anne hatte mir weh getan.
    »Entschuldige dich«, sagte mein Vater.
    Ich blieb unbeweglich an der Tür
stehen, mir schwirrte der Kopf. Immer fällt es mir zu spät ein, wie man sich
vornehm und anständig benimmt.
    »Komm her«, sagte Anne.
    Ich hörte keine Drohung in ihrer Stimme
und kam näher. Sie legte ihre Hand auf meine Wange und sprach sanft und langsam
zu mir, als ob ich etwas töricht sei:
    »Sei nicht garstig. Es tut mir
schrecklich leid wegen Elsa. Aber du hast genügend Taktgefühl, um diese Sache
so gut wie möglich zu ordnen. Morgen werden wir uns aussprechen. Habe ich dir
sehr weh getan?«
    »Aber nein«, sagte ich höflich.
    Zuerst meine maßlose Heftigkeit und
jetzt Annes plötzliche Sanftheit — am liebsten hätte ich geweint! Ich sah sie
fortfahren und fühlte mich leer und hohl. Mein einziger Trost war der Appell an
mein Taktgefühl. Ich ging langsam zum Kasino zurück, und dort fand ich Elsa
wieder, an deren Arm sich der Südamerikaner klammerte.
    »Anne hat sich nicht wohl gefühlt«,
sagte ich leichthin, »Papa mußte sie nach Hause bringen. Wollen wir etwas
trinken?«
    Sie blickte mich an, ohne zu antworten.
Ich suchte nach einem überzeugenden Argument.
    »Sie mußte sich übergeben«, sagte ich,
»es war scheußlich, ihr Kleid war voller Flecken.«
    Dieses Detail erschien mir von
zwingender Glaubwürdigkeit, aber Elsa begann sanft und traurig zu weinen. Völlig
ratlos blickte ich sie an.
    »Cécile«, sagte sie, »o Cécile, wir
waren so glücklich...«
    Ihr Schluchzen wurde heftiger. Nun fing
auch der Südamerikaner an zu weinen und sagte ihr nach: »Wir waren so
glücklich, so glücklich.« In diesem Augenblick haßte ich Anne und meinen Vater.
Ich hätte alles getan, alles, um zu verhindern, daß die arme Elsa weinte, daß
ihre Wimperntusche zerrann und daß der Südamerikaner schluchzte.
    »Es ist noch nicht aller Tage Abend,
Elsa. Kommen Sie mit mir zurück.«
    »Ich werde bald zurückkommen und meine
Koffer holen«, schluchzte sie. »Adieu, Cécile, wir beide haben uns gut
verstanden.«
    Ich hatte nie über irgend etwas anderes
mit ihr geredet als über das Wetter und über Mode; trotzdem hatte ich das
Gefühl, eine alte Freundin zu verlieren. Ich machte plötzlich kehrt und rannte
zum Auto zurück.

SECHSTES KAPITEL
     
    D er nächste Morgen war unangenehm,
sicher wegen der vielen Whiskys vom Abend zuvor. Als ich aufwachte, lag ich
quer über dem Bett im Finstern, meine Lippen waren steif und geschwollen, meine
Glieder versanken in einer unerträglichen Feuchtigkeit. Ein Sonnenstrahl
sickerte durch die Schlitze im Fensterladen, und ich sah dichte Reihen von
Staub darin aufsteigen. Ich hatte weder Lust aufzustehen noch im Bett zu
bleiben. Ob Elsa zurückkommen würde? Wie sahen Anne und mein Vater wohl heute
früh aus? Ich zwang mich, an sie zu denken, um die Anstrengung nicht zu merken,
die mich das Aufstehen kostete. Schließlich gelang es mir auch, und ich stand
halb betäubt auf den kühlen Fliesen meines Zimmers und fühlte mich erbärmlich.
Im Spiegel bot sich mir ein trauriger Anblick. Ich neigte mich näher an ihn
heran: übergroße Augen, ein aufgedunsener Mund — war dieses fremde Gesicht mein
eigenes? Konnte der Grund für meine Schwäche und Feigheit in diesen Lippen
liegen, in diesen Proportionen meines Gesichtes, in dieser verhaßten,
ungerechten Begrenzung? Und wenn mir Grenzen gesetzt waren, warum mußte es mir
so schrecklich, so gegen meine Natur bewußt werden? Ich gefiel mir darin, mich
zu verabscheuen und dieses durch ein ausschweifendes Leben ausgehöhlte und
zerknitterte Fuchsgesicht zu hassen. Ein ausschweifendes Leben — ich begann,
mir diese Worte mit dumpfer Stimme immer wieder vorzusagen, und blickte mir
dabei in die Augen, und plötzlich sah ich, daß ich lächelte. In der Tat, welche
Ausschweifung: ein paar armselige Gläser Whisky, eine Ohrfeige und Schluchzen.
Ich putzte mir die Zähne und ging hinunter.
    Mein Vater und Anne waren schon auf der
Terrasse und saßen dicht nebeneinander vor dem Frühstückstablett. Ich warf
ihnen ein undeutliches »Guten Morgen« zu und setzte mich ihnen gegenüber. Ich
schämte mich und wagte nicht, sie anzusehen, aber schließlich zwang mich ihr
Schweigen aufzublicken. Anne sah etwas abgespannt aus — die einzige Spur einer
Liebesnacht, die ich an ihr bemerkte.

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