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Bonjour Tristesse

Bonjour Tristesse

Titel: Bonjour Tristesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Françoise Sagan
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Sie lächelten, ihre Gesichter waren
glücklich. Und das machte mir Eindruck: Glück erschien mir immer wie eine
Bestätigung, ein Erfolg.
    »Gut geschlafen?« sagte mein Vater.
    »Nicht besonders«, antwortete ich. »Ich
habe gestern abend zuviel Whisky getrunken.«
    Ich goß mir eine Tasse Kaffee ein, nahm
einen Schluck und setzte die Tasse schnell wieder nieder. Ihr Schweigen war
voll Bedeutung und Erwartung und machte mich befangen. Ich war zu müde, um es
lange zu ertragen.
    »Was ist los? Ihr macht einen so
geheimnisvollen Eindruck?«
    Mein Vater zündete sich mit einer
Bewegung, die besonders ruhig wirken sollte, eine Zigarette an. Anne
betrachtete mich, zum erstenmal offensichtlich verlegen.
    »Ich möchte dich etwas fragen«, sagte
sie schließlich.
    Ich war auf das Schlimmste gefaßt.
    »Ein neuer Auftrag für mich an Elsa?«
    Sie wandte ihr Gesicht meinem Vater zu:
    »Dein Vater und ich würden gern
heiraten«, sagte sie.
    Ich starrte sie an, dann blickte ich
auf meinen Vater. Einen Augenblick lang wartete ich auf ein Zeichen von ihm,
ein Zwinkern, das mich zugleich entrüstet und beruhigt hätte. Er war in den
Anblick seiner Hände versunken. ›Es ist unmöglich‹ sagte ich mir, aber ich
wußte bereits, daß es die Wahrheit war.
    »Das ist eine sehr gute Idee«, sagte
ich, um Zeit zu gewinnen.
    Ich konnte nicht verstehen, was da
geschehen war: Ein so hartnäckiger Gegner der Ehe und aller Fesseln wie mein
Vater sollte sich in einer einzigen Nacht entschlossen haben... Das würde unser
ganzes Leben ändern. Unsere Unabhängigkeit war verloren. Ich sah es schon vor
mir, unser Leben zu dritt: An der Seite der intelligenten und kultivierten Anne
würden wir plötzlich ausgeglichene Menschen werden und jenes Leben führen, um
das ich sie bisher beneidet hatte. Mit klugen, aufgeschlossenen Freunden,
ruhigen, glücklichen Abenden... Schon jetzt begann ich die lärmenden
Gesellschaften, die Südamerikaner und die Elsas zu verachten. Ein Gefühl von
Überlegenheit, von Hochmut ergriff mich.
    »Das ist eine sehr, sehr gute Idee«,
wiederholte ich und lächelte ihnen zu.
    »Mein kleines Kätzchen, ich wußte, daß
du dich freuen wirst«, sagte mein Vater.
    Seine Unruhe war verflogen, er war
entzückt. Liebe und Müdigkeit hatten Annes Gesicht verwandelt, und es erschien
mir viel zugänglicher, viel weicher, als ich es je gesehen hatte.
    »Komm her, mein Kätzchen«, sägte mein
Vater.
    Er streckte mir beide Hände entgegen
und zog mich zu sich heran. Ich kniete halb vor ihnen, und sie blickten mich
mit liebevoller Rührung an und streichelten meinen Kopf.
    Und ich, ich konnte nicht aufhören,
daran zu denken, daß in diesem Augenblick vielleicht eine Wendung in meinem
Leben eintrat, aber daß ich für sie tatsächlich nichts anderes war als ein
»Kätzchen«, als ein kleines, zärtliches Tier. Ich spürte, wie fern sie mir
waren, verbunden durch eine Vergangenheit und eine Zukunft, vereint durch
Bande, die ich nicht kannte und die mich nicht einbeziehen konnten. Bewußt
schloß ich meine Augen, lehnte den Kopf an ihre Knie, lachte mit ihnen und
spielte wieder meine Rolle. Aber war ich übrigens nicht wirklich glücklich?
Anne war sehr anständig, ich hatte sie noch nie kleinlich und engherzig
gesehen. Sie würde mich leiten, mir die Verantwortung für mein Leben abnehmen
und mir in allen Situationen den richtigen Weg weisen. Ich würde ein
vollkommener Mensch werden und mein Vater mit mir.
    Mein Vater stand auf, um eine Flasche
Champagner zu holen; ich war angewidert. Er war glücklich, das war sicher die
Hauptsache, aber wegen einer Frau hatte ich ihn schon so oft glücklich gesehen...
    »Ich habe etwas Angst vor dir gehabt«,
sagte Anne.
    »Warum?« fragte ich.
    Als sie das sagte, hatte ich das
Gefühl, als hätte mein Veto die Heirat dieser beiden Erwachsenen verhindern
können.
    »Ich fürchtete, du würdest Angst vor
mir haben«, sagte sie und begann zu lachen.
    Ich lachte auch, denn ich hatte
tatsächlich etwas Angst vor ihr. Sie gab mir zu verstehen, daß sie es wußte und
daß es überflüssig sei.
    »Und es kommt dir nicht lächerlich vor,
diese Heirat von zwei alten Leuten?«
    »Ihr seid nicht alt«, sagte ich mit der
notwendigen Überzeugung, denn mein Vater kam im Walzerschritt mit einer Flasche
im Arm zurück.
    Er setzte sich neben Anne und legte den
Arm um ihre Schultern. Und die Bewegung, mit der ihr Körper sich ihm zuneigte,
ließ mich die Augen senken. Natürlich, das war es, deshalb heiratete

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