Bony und der Bumerang
heran und musterte seine Mutter.
»Du siehst nicht so gut aus wie sonst, Little Lady. Ich muß einmal mit Dad ein ernstes Wort reden. Er sollte noch vor dem Markieren der Lämmer mit dir auf Urlaub fahren – vielleicht nach Sydney.«
»Das bildest du dir nur ein, mein Lieber. Ich fühle mich wirklich gut«, versicherte die Farmersfrau.
»Aber ein paar Tage an der See werden wieder Farbe auf deine Wangen bringen.«
»Unsinn. Ich bin zu alt, um noch im Badeanzug herumzuhiipfen.«
Sie schwieg, weil Martha den Tee brachte. Als Mrs. Thornton die nackten Füße der Schwarzen entdeckte, seufzte sie laut, doch Martha schien sich bereits eine Ausrede zurechtgelegt zu haben.
»Missis!« platzte sie heraus. »Ich –geben Bony eine Tasse Tee, und nun er mit meinen Stiefeln verschwunden!«
»Dann setz dich auf seine Spur, Martha.« Ralph lachte, »Nimm die Kriegskeule mit und hau sie ihm aufs Haupt.«
»Ich ihm auf jeden Fall reißen Kopf ab!« erwiderte die Eingeborene wütend und stampfte davon – und als sie in die Küche kam, standen ihre braunen Stiefel friedlich auf einem Stuhl. Wie konnte sie auch wissen, daß Bony sie zu einem ganz bestimmten Zweck benötigt hatten?
»Dieser Bony scheint ein Original zu sein, Mutter«, meinte Ralph und nippte an seinem Tee.
»Und ob!« entgegnete sie. »Neulich war ich mit Kate im Garten, da beobachteten wir, wie er sich mit Vater unterhielt. Nun, neugierig wie Frauen sind, gingen wir hinüber –« Sie erzählte, wie Bony zu seinem seltsamen Namen gekommen war, dann fügte sie hinzu: »Du siehst also, daß wir ein gemeinsames Interesse haben.«
»In welcher Hinsicht?«
»Wir verehren beide Kaiser Napoleon.«
»Ich muß diesen Mann unbedingt kennenlernen«, sagte Ralph.
»Ich habe viel über dich nachgedacht, seit du vom College gekommen bist, Ralph«, sagte die Little Lady. »Ich freue mich, daß du dir so rasch über deinen Beruf im klaren warst und dich so gut in alles findest. Manchmal habe ich das Gefühl, daß ich nicht mehr sehr lange leben werde. Da wäre es für mich eine Beruhigung, wenn deine Zukunft gesichert ist.«
Der junge Mann wollte etwas sagen, doch sie ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»Keine Angst, mein Lieber. So schnell sterbe ich nicht. Sofort nach der Schafschur werde ich mit Vater an die See fahren. Dann haben wir auch Zeit, uns Gedanken über deine Zukunft zu machen. Du hast doch nichts dagegen, wenn ich gewisse Pläne habe. Die haben alle Mütter.«
»Natürlich habe ich nichts dagegen«, entgegnete er, und sein Blick verriet Besorgnis.
»Du wirst einmal Barrakee und das gesamte Vermögen erben. Lediglich für Kate ist ein Legat ausgesetzt. Aber als Herr auf Barrakee brauchst du eine gute Frau. Hast du eigentlich schon einmal über Kate nachgedacht?«
»Als meine Frau?« Ralph schien nicht weiter überrascht zu sein.
»Ja. Liebst du sie, Ralph?«
»Ich habe Kate sehr gern«, erwiderte er. »Sie ist sehr hübsch und äußerst sympathisch. Aber ich habe noch nie daran gedacht, sie zu heiraten. Wir fühlen uns immer wie Bruder und Schwester.«
»Das glaube ich gern, aber ihr seid nur Cousin und Cousine«, antwortete Mrs. Thornton ruhig und ergriff seine beiden Hände. »Vergiß nie, Ralph, daß ich nur dein Glück will. Wenn ich Kate nicht so gut kennen würde, hätte ich sie gar nicht erwähnt. Ganz gleich, wen du
einmal heiratest – heirate nur aus Liebe. Du hast ja noch genügend Zeit. Aber Kate ist ein hübsches Mädchen, und alle Männer machen ihr den Hof. Da kann sich leicht einer in sie verlieben. Es würde mir leid tun, wenn du zu spät entdeckst, daß du sie liebst. Denk doch einmal darüber nach, ja?«
»Aber gewiß.« Er lächelte leise. »Ich glaube, ich müßte mich nicht groß anstrengen, um Kate wirklich zu lieben. Offen gestanden – ich habe noch nie darüber nachgedacht.«
Die Farmersfrau blickte prüfend in seine dunklen Augen.
»Wenn du eines Tages Kate tatsächlich heiraten solltest, Ralph, dann wäre ich sehr glücklich. Überstürze nichts. Aber ich liebe euch beide und wäre sehr traurig, wenn ein anderer das Mädchen bekäme, das dir zusteht.«
Sie sahen sich schweigend an, bis Ralph schließlich den Stuhl zurückschob und aufstand.
»Gib mir eine Woche Bedenkzeit, Little Lady. Dann werde ich dir sagen, zu welchem Ergebnis ich gekommen bin.«
Bony lehnte an dem Bock, auf dem das Boot lag. Er hatte mit Lötlampen und Schabeisen die alte Farbe entfernt. Der Mischling saß in der Sonne, rauchte eine Zigarette
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