Bony und der Bumerang
Baumstamm zu erkennen sind. Diese Diagonalkerben wurden zu Ehren eines Häuptlings angebracht, der im Kampf mit einem einzigen Wurf zwei feindliche Krieger tötete.«
Thorntons Blick verriet offene Bewunderung. »Und was sagt Ihnen die Einkerbung am Baumstamm noch?«
»Daß der Werfer des Bumerangs keine große Übung besitzt«, erwiderte Bony ohne Zögern. »Ein geschickter Werfer hätte bei einer Entfernung von nur dreißig Metern selbst bei größter Dunkelheit nicht gefehlt. Aber genug jetzt von Bumerangs. Haben Sie die Liste, um die ich Sie gebeten hatte?«
»Ja, hier ist sie.«
Bony sah die Liste durch. Sie enthielt die Namen und die jeweilige Beschäftigung der Leute auf Barrakee.
»Alle Personen sind noch hier?« wollte Bony wissen.
»Alle außer Blair und McIntosh. Sie säubern ein Bassin. Und mein Sohn ist im Augenblick am Thurlow Lake.«
Bonys Gesicht blieb undurchdringlich, als er einen Kugelschreiber aus der Tasche zog. Er kniete nieder, benützte die Kiste als Schreibunterlage und fügte noch einen Namen hinzu.
»John Thornton fehlte«, erklärte er.
»Wollen Sie mich verdächtigen?« meinte der Schafzüchter sarkastisch.
Bony blickte auf. »Zunächst muß ich alle Fische im Netz haben, um sicher zu sein, daß auch der Raubfisch dabei ist. Außerdem wäre da noch eine Mrs. Thornton, wenn ich mich nicht täusche?«
Der Schaf Züchter lachte. »Allerdings.«
Bony setzte den Namen auf die Liste.
»Und dann noch Miss Kate Flinders«, murmelte Bony und erhob sich. »So, nun stehen alle auf der Liste, die sich am Tatabend im Herrenhaus oder in seiner Umgebung befanden. Ich habe außerdem eine Liste mit den Namen der Eingeborenen aus dem Camp. Der Sergeant versicherte mir, daß sich an dem betreffenden Abend zwölf Meilen flußaufwärts und zwölf Meilen flußabwärts kein Fremder aufgehalten hat. Deshalb- muß König Henrys Mörder auf meiner Liste stehen. Der Fall ist also denkbar einfach«, meinte der Inspektor selbstbewußt. »Nur vierundzwanzig Personen kommen in Frage. Meine Kollegen in der Stadt haben es da bedeutend schwerer. Die müssen einen Verbrecher unter Hunderttausenden suchen. Da ist es kein Wunder, wenn die eine oder andere Tat unaufgeklärt bleibt – was bei mir noch nie vorgekommen ist. Meine Methode ist einfach: Ich nehme mir jeden einzelnen vor und erbringe den Beweis seiner Unschuld. Bei einem wird mir das nicht gelingen – das ist dann der Mörder von König Henry.«
»Sie machen mich nervös, mein Freund«, sagte Thornton. »Ich werde nicht mehr ruhig schlafen können, solange Sie meinen Namen nicht von der Liste gestrichen haben.«
»Ich werde Ihnen Bescheid geben, sobald das geschehen ist.«
»Besten Dank. Da kommt meine Frau. Sie scheint neugierig zu sein, was wir hier treiben.«
Mrs. Thornton näherte sich mit ihrer Nichte durch den ausgetrockneten Teich, und Bony hatte Gelegenheit, sie unauffällig zu mustern. Für ihn waren die beiden Frauen genauso verdächtig wie jeder andere. Die Farmersfrau lächelte den Mischling freundlich an, das junge Mädchen betrachtete ihn mit deutlichem Interesse.
»Ich lasse die Boote anstreichen, meine Liebe«, erklärte der Schafzüchter. »Es war höchste Zeit.«
»Allerdings, John. Sie haben es nötig. Ich war mit Kate im Garten. Wir wurden neugierig, worüber ihr euch so lange unterhaltet.«
»Sei doch nicht so neugierig, meine Liebe«, meinte Thornton, dann wies er auf Bony. »Diesen Mann habe ich neu eingestellt. Sein Name wird dich überraschen. Er heißt Napoleon Bonaparte!«
»Napoleon Bonaparte?« wiederholte Mrs. Thornton fassungslos.
»Leider bin ich nicht der große Korse persönlich, Madam«, sagte Bony. »Im allgemeinen kann man niemanden für seinen Namen verantwortlich machen, ich aber bin nicht ganz schuldlos daran, obwohl ich noch ein Baby war.«
Er schilderte, welchem Umstand er seinen Namen zu verdanken hatte.
»Ich hoffe, Sie haben Abbotts Buch inzwischen gelesen«, meinte die Farmersfrau und betrachtete das dunkle Gesicht, die blauen Augen und die scharf geschnittenen Züge des neuen Arbeiters.
»Wenn ich die Bibel so oft gelesen hätte wie Abbotts Biographie, Madam, wäre ich ein ausgezeichneter Religionswissenschaftler.«
Zwei steile Falten erschienen auf der Stirn von Mrs. Thornton. Vor ihr stand ein Mann in Blue Jeans, ein Mischling. Und doch war er ein Gentleman, sprach gebildet wie ein Akademiker. Einem solchen Menschen war sie noch nie begegnet.
Bony verbeugte sich und wartete, bis sich der
Weitere Kostenlose Bücher