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Bony und der Bumerang

Bony und der Bumerang

Titel: Bony und der Bumerang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur W. Upfield
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Herd hantierte, nicht sehen, wohl aber den gedeckten Tisch, an dem ein Chinese – offensichtlich der Gärtner – und zwei Farmarbeiter saßen. Die anderen sind wahrscheinlich draußen beim Lämmermarkieren, dachte Joe, doch da stand auch schon, wie aus dem Boden gewachsen, Regenbogen-Harry vor ihm. Der Koch hatte seinen Spitznamen dem Umstand zu verdanken, daß er mit Vorliebe Süßigkeiten und Kuchen fabrizierte, die in allen nur denkbaren Farben schillerten.
    »Was willste?« knurrte Regenbogen-Harry mit abweisender Miene, die er speziell für Tramps reserviert hatte.
    »Hätten Sie wohl eine Kleinigkeit zu essen?« bettelte Joe.
    »Du verdammter Gauner!« polterte der Koch los. »Du bist doch der Kerl, der mir im vergangenen August in White Gate meine Uhr geklaut hat!«
    »Nein, das kann nicht sein. Dort bin ich noch nie gewesen. Ehrenwort!«
    »Nein, natürlich nicht! Bin ich etwa blind?«
    »Nein.«
    »Oder bin ich ein Lügner?«
    Langfinger-Joe zögerte eine Sekunde.
    »Nun, bin ich ein Lügner?« brüllte Regenbogen-Harry los.
    »Nein, Koch«, erwiderte der kleine Mann hastig.
    »Dann hol dir gefälligst von dem Kerl was zu essen, dem du meine Uhr verkauft hast!« knurrte Harry.
    »Aber ich habe heute noch keinen Bissen gegessen,« jammerte Joe.
    »Gib ihm doch einen Bissen, Harry,« rief Bony, der die Unterhaltung amüsiert verfolgt hatte. Langfinger-Joe warf ihm einen dankbaren Blick zu.
    »Nein!« donnerte der Koch und starrte den kleinen Mann wütend an. »Scher dich zum Teufel, du Gauner. Ich werde dich lehren, mir die Uhr zu klauen. Geh rüber zum Haus. Die Köchin gibt dir sicher was.«
    Der Tramp machte sich schleunigst aus dem Staub. Die Männer am Tisch schwiegen. Sie waren mit dem Verhalten des Kochs nicht einverstanden, denn im Busch galt das ungeschriebene Gesetz, daß ein Landstreicher ein paar Bissen erhielt, wenn er darum bat. Über das Gesicht von Regenbogen-Harry glitt ein Grinsen.
    »Er weiß nicht, daß Martha noch da ist«, sagte er lachend. »Sie wartet seit Jahren auf Langfinger-Joe. Er hat ihr nämlich mal eine funkelnagelneue Aluminiumpfanne gestohlen.«
    Hungrig und niedergeschlagen, mit dem Gesicht eines Märtyrers, tappte Joe am Gartenzaun entlang. Doch dann entschloß er sich, nicht den Weg zu benutzen, der an Büro und Wohnbaracke vorbeiführte, sondern am unteren Ende des Gartens entlang zu gehen. Er dachte nur daran, endlich den knurrenden Magen zu besänftigen, und merkte nicht, daß Bony ihm amüsiert folgte.
    Irgendwann begeht jeder Verbrecher einen Fehler. Langfinger-Joe machte an diesem Abend den Fehler, sich nicht ein einziges Mal umzuschauen.
    Während er in Richtung Fluß am Zaum entlangging, ertönte im Haus der Gong. Hinter dem Bambuszaun waren keine Geräusche zu vernehmen. Langfinger-Joe blieb stehen und lauschte. Als er nach zwei Minuten hörte, wie eine Tür geschlossen wurde, ging er weiter und erreichte schließlich das Gartentor. Er trat ein und schlenderte den schmalen Betonweg hinauf, der an der Seite des Hauses entlangführte.
    Die Zimmertüren standen alle weit offen. Das erste Zimmer gehörte offensichtlich einem Mann, und Joe tappte weiter. Im dritten Raum entdeckte er eine Zehnshillingnote, die mit einer Stecknadel am Spiegel des Toilettentisches befestigt war.
    In diesem Moment bekam der Tramp einen seiner chronischen Anfälle. Seine Finger begannen zu prickeln, alle Gegenstände im Zimmer verschwammen vor seinen Augen, nur der Geldschein schien in magischem Licht zu erstrahlen. Joe blickte sich kurz um, dann verschwand er in Mrs. Thorntons Schlafzimmer.
    Eine Sekunde schwebten die schlanken, spitzen Finger über der Banknote, im nächsten Moment war sie in Joes Jackentasche verschwunden. Der Mann seufzte erleichtert, wie von schwerem Schmerz befreit, doch da überfiel ihn bereits ein neuer Anfall.
    Auf dem Toilettentisch lagen silberne Haarbürsten, ein silberner Handspiegel. Als Joe die vergoldete Schmuckkassette sah, traten seine Augen hervor, und wieder kribbelte es in seinen Fingern. Eine Sekunde später hatte er sich in einen Roboter verwandelt.
    Blitzschnell verschwanden die silbernen und goldenen Gegenstände in seinem Proviantsack. Joes Hände huschten durch die Kästen des Schreibschranks und der Kommode. Als der Sack prall gefüllt war, war auch der Anfall von Kleptomanie vorbei.
    Vorsichtig lugte Langfinger-Joe aus der Tür, und da er niemanden entdeckte, schlüpfte er hinaus. Gemächlich, mit harmloser Miene, schritt er den Betonweg

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