Bony und der Bumerang
Schafzüchter zwinkerte.
Mrs. Thornton seufzte. »Ja, John. Das ist es wohl. Wir beide sind altmodisch.«
Nach dem Abendessen wurde Karten gespielt, und als Mrs. Thornton schließlich verkündete, schlafen gehen zu wollen, erhob sich Kate ebenfalls.
Ralph küßte seine Mutter, bedachte auch Kate mit einem Kuß.
»Gute Nacht, Kate«, flüsterte er. »Tut mir leid, daß ich so ein schlechter Liebhaber bin.«
Die Augen des Mädchens weiteten sich vor Überraschung. Kate wollte etwas erwidern, aber Ralph hatte bereits ein Buch in die Hand genommen. Bereute er etwa, sich mit ihr verlobt zu haben? Wollte er seine Freiheit zurück? Plötzlich sah Kate wieder das Bild von Dugdale vor sich, wie er an ihrem Verlobungsabend mit bleichem Gesicht und brennenden Augen an der Wand gelehnt hatte.
Eine Stunde später ging auch Ralph auf sein Zimmer. Er nahm einen alten Anzug und eine Garnitur Unterwäsche aus dem Schrank, holte ein Paar Reitstiefel hervor. Dann breitete er auf dem Fußboden ein Bettlaken aus, legte zwei Decken darüber. Unterwäsche, Rasierzeug, Kamm, Bürste und ein alter Hut wurden dazugepackt. Er schlug die langen Seiten der Decken nach innen, rollte alles zu einem Bündel zusammen und verschnürte es. Aus der Kommode holte er einen Sack, in dem er Beutel mit Mehl, Tee und Zucker verstaut hatte. Schließlich packte er noch Brot und gekochtes Fleisch in den Sack.
Nachdem er mit den Vorbereitungen fertig war, zog er den alten Anzug und die Stiefel an. Nun war er bereit für das große Abenteuer. Das Deckenbündel auf dem Rücken, Proviantsack vor der Brust, nahm er noch einen alten Kochkessel und öffnete dann leise die Tür. Zwei Minuten später marschierte er durch den Garten zur unteren Pforte.
An der Gartentür blieb er stehen. Hinter ihm lagen sein Heim und das Erbe, das er dereinst übernehmen sollte, dort waren seine Eltern und das Mädchen, das seine Frau werden sollte. Ein wenig flußaufwärts aber wartete seine schwarze Göttin, die so leidenschaftlich küssen konnte.
Wie oft hatte er in letzter Zeit mit sich gerungen. Der Entschluß, von Hause wegzugehen, war ihm nicht leichtgefallen. Er war sich über die Konsequenzen völlig im klaren. Doch mit unheimlicher Macht lockte der Busch, ließ Ralphs Blut schneller pulsen.
Er zögerte nicht länger, rannte durch den ausgetrockneten Teich und das Flußufer entlang zu dem umgestürzten Pfefferminzbaum, bei dem er sich stets mit Nelly getroffen hatte.
Niemand erwartete ihn. Aber unübersehbar steckte in einem Spalt ein Seidentuch, das er einmal Nelly Wanting geschenkt hatte. In dem Tuch steckte ein Zettel. Unheil ahnend riß Ralph ein Streichholz an und las das fast unleserliche Gekritzel.
›Ich kann nicht kommen. Es wäre nicht gut für dich. Ich bin schwarz, du weiß. Lebe wohl, mein Ralphie.‹
Der Zettel, den Bony in Nellys Auftrag geschrieben hatte, wirkte auf den jungen Mann wie ein Keulenschlag.
Mitte Juni war das Markieren der Lämmer im vollen Gang. Obwohl noch zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt worden waren, hatte man alle Hände voll zu tun. Watts hatte die Leitung, Ralph fungierte als sein Adjutant. Die Reiter standen unter dem Kommando von Frank Dugdale. Sie hatten die Aufgabe, die Herden zu den vier Punkten zu treiben, wo die Markierung vorgenommen wurde. Thornton war viel mit dem Wagen unterwegs, und seine Nichte begleitete ihn oft.
Bisher hatte es noch keinen Frost gegeben. Überall grünte es, Wasserlöcher und tiefer gelegene Lehmflächen hatten sich mit dem kostbaren Naß gefüllt und funkelten in der warmen Sonne wie riesige Diamanten.
George Watts besorgte den schwierigsten Teil der Arbeit, das Markieren der Lämmer. Er besaß die sensiblen Hände eines Chirurgen
und den nötigen praktischen Verstand, um in kürzester Zeit eine große Zahl Lämmer zu markieren. Ralph assistierte ihm.
Obwohl sich der junge Mann für diese Arbeit interessierte, schweiften seine Gedanken immer wieder ab. Watts war zu beschäftigt, um es zu bemerken, aber später erinnerte er sich, wie Ralph an den Abenden stumm ins Lagerfeuer gestarrt hatte.
Bony beobachtete gebannt die Veränderung, die mit dem Sohn des Schafzüchters vorging. Noch hatte er nicht herausgefunden, worauf sie zurückzuführen war. Das Problem beschäftigte ihn so intensiv, daß er fast vergaß, weshalb er eigentlich auf Barrakee war.
Auch Kate Flinders führte einen heftigen inneren Kampf. Davon merkte Bony allerdings nichts. Obwohl sie sich bemühte, loyal zu ihrem
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